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Stottern und StottertherapieStottern im KindesalterDefinitionStottern ist eine Störung des Sprechablaufs. "Stottern bedeutet unfreiwillige Blockierungen, die Verlängerung von Lauten und die Wiederholung von Lauten" (Bloodstein, 1993). FaktenBei etwa 5 % aller Kinder tritt Stottern auf. Stottern kann ab dem Alter von etwa 2 Jahren beginnen. Vor dem 4. Lebensjahr fängt das Stottern bei der Hälfte dieser Kinder an, bis zum 6. Lebensjahr bei 90% all dieser Kinder. Nach dem 12. Lebensjahr ist nur noch sehr selten mit einem Beginn von Stottern zu rechnen. BeschreibungSprechunflüssigkeiten wie Wiederholungen von Wörtern oder Satzteilen, Pausen oder Flicklaute kommen bei allen Sprechern vor, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Sie werden von Zuhörern und Sprechern nicht als Stottern empfunden und irritieren normalerweise nicht.
diese Strategien verlieren leider häufig ihre Wirkung, bestehen aber dennoch fort. Diese Strategien sind Ausdruck davon, dass Kinder Angst im Stottersymptom bzw. vor dem nächsten Symptom erleben. Auf diese Weise entsteht über die Wiederholungen, Dehnungen und Blockierungen hinaus eine Begleitsymptomatik, die auffälliger und belastender sein kann, als das Stottern selbst. Offenes und verdecktes StotternWenn die Symptomatik von Stotternden offen erkennbar ist, spricht man von "Offenem Stottern". Durch geschicktes Vermeiden von Wörtern und belastenden Sprechsituationen und andere "Tricks" oder durch sehr hohe mentale Kontrollanstrengung können manche Stotternde ihr Stottern sehr gut verbergen. Hier spricht man von "verdecktem Stottern". Auch wenn solche Stotternde nach außen fast wie Normalsprecher wirken, leiden sie häufig sehr unter ihrem Stottern und der hohen Anstrengung, wie ein Normalsprecher zu wirken. Ursachen Die Ursachen von Stottern sind bisher nicht ausreichend erforscht, obwohl sich immer mehr Wissenschaftler mit Stottern im Kindesalter beschäftigen. Nach dem aktuellen Forschungsstand müssen verschiedene Faktoren zusammentreffen, damit Stottern auftritt. Dabei unterscheidet man
Der aktuelle Forschungsstand zeigt, dass... ...Stottern nicht aus einer gestörten Atmung entsteht - gestörte Atmung ist die Folge von Stottern. DiagnostikDie Erstdiagnostik wird von Kinderärzten, HNO-Ärzten oder Phoniatern durchgeführt. Wenn diese ein Kind als behandlungsbedürftig einschätzen, wird eine Verordnung für logopädische Therapie ausgestellt. Logopäden erheben dann einen logopädischen Befund. In der logopädischen Diagnostik wird festgestellt, ob ein Kind stottert und ob eine Behandlung erforderlich ist. Eine Beratung der Eltern ist nötig, auch wenn kein behandlungsbedürftiges Stottern vorliegt. Darin erhalten die Eltern Informationen über Gefahrensignale für behandlungsbedürftiges Stottern und über ihre Möglichkeiten, ihr Kind zu unterstützen. Die Diagnostik erfasst mit einem Elterngespräch und mit der Untersuchung des Kindes
Die Schwierigkeit in der Messung des Schweregrads des Stotterns liegt darin, dass der Schweregrad von Stottern situations- oder phasenabhängig stark schwanken kann. Außerdem können viele Kinder ihr Sprechen kurzfristig so gut kontrollieren, dass kein Stottern sichtbar wird (verdecktes Stottern). Daher können im Einzelfall mehrere Diagnostiktermine notwendig sein. TherapieEs gibt im deutschsprachigen Raum eine Vielzahl unterschiedlichster seriöser und unseriöser Therapieverfahren. Diese lassen sich unterscheiden nach
Stottertherapie kann ambulant oder stationär, einzeln oder in Gruppen, nur mit den Eltern oder zusammen mit dem Kind erfolgen. Stottertherapie kann eine Langzeittherapie sein. Wenn die Behandlung kurz nach Störungsbeginn erfolgt, ist die Behandlungsdauer meist kürzer. Auch wenn nicht in jedem Fall eine Heilung erreicht werden kann, kann nach einer erfolgreichen Behandlung die weitere Entwicklung eines Kindes durch Stottern weniger beeinträchtigt sein, z.B. hinsichtlich Schule und Berufswahl. Nach Therapieende können dann in größeren Abständen Auffrischsitzungen über mehrere Jahre hinweg nötig sein. Wie ist der Weg zur Therapie?Sie machen sich Sorgen, weil Ihr Kind stottert, oder Sie wissen noch nicht sicher, ob bei Ihrem Kind Stottern vorliegt:
Hinweise für den Umgang mit Stottern im AlltagWenn Ihr Kind über sein Stottern beunruhigt ist, verärgert oder traurig, dürfen Sie es darauf ansprechen und trösten. Ihr Kind braucht das wie bei jeder anderen Erkrankung auch. Die Behauptung, dass Kinder erst dann auf das Stottern aufmerksam werden, ist völlig veraltet. Stottern und SchuleStottern ist kein Grund, ein Kind von einer bestimmten Schulform auszuschließen. Lehrer haben jedoch häufig wenig Kenntnisse über Stottern. Das bedeutet, dass Eltern die Lehrer informieren müssen, dass ihr Kind stottert und ggf., welche Konsequenzen das für den Unterricht haben könnte. So darf keiner wegen einer Behinderung benachteiligt werden, auch stotternde Schüler nicht bei der Messung von mündlichen Leistungen. Weitere Informationen zum Thema "Stottern und Schule" finden sich im gleichnamigen Buch der Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe. LiteraturDer Demosthenes Verlag der Bundesvereinigung Stotterer-Selbsthilfe e.V., Köln, Gereonswall 112, 50670 Köln hat einige interessante Bücher herausgebracht:
Außerdem gibt es hier kostenlose Faltblätter für jugendliche und erwachsene Stotternde, Eltern, Lehrer, Erzieherinnen, Kinderärzte, z.T. auch auf türkisch und russisch. Interessant ist außerdem die Broschüre "Stottern, Kommunikation zwischen Partnern", Band 205. Diese kann gegen Portogebühr bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Behinderte, Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf angefordert werden. Literatur aus anderen Verlagen
Nützliche Adressen
Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung des o.a. Buches von Sandrieser und Schneider (2001), ergänzt und erweitert durch andere Beiträge: 1. Definitionen Wingate 1964: Stottern ist eine Unterbrechung im Fluss des verbalen Ausdrucks, die charakterisiert ist durch unwillentliche, hörbare oder stille Wiederholungen und Dehnungen bei der Äußerung kurzer Sprachelemente, insbesondere : Laute, Silben und Wörter mit einer Silbe. Diese Unterbrechungen geschehen in der Regel häufig oder sind deutlich ausgeprägt und sind nicht ohne Weiteres kontrollierbar. Fiedler 1993: Stottern ist eine Störung der Autoregulation des Sprechens. Sie zeigt sich in pathologischen Sprechunflüssigkeiten, die in quantitativen und qualitativen Abweichungen von der Sprechflüssigkeitsnorm bestehen. (Siehe auch „Symptome“) Bloodstein 1993: Stottern bedeutet unfreiwillige Blockierungen, die Verlängerung von Lauten und die Wiederholung von Lauten. Die Unflüssigkeiten werden vom Stotternden wahrgenommen und antizipiert. Der Stotternde weiß genau, was er sagen möchte, aber er ist in diesem Moment nicht in der Lage, diese eine Wort flüssig zu sprechen, obwohl er problemlos ein anderes Wort sprechen oder dieses Wort zu einem anderen Zeitpunkt sagen könnte. Baumgartner (1994), nach Starkweather (1987): Reduzieren wir die Komplexität des Stotterns für einen Moment auf das Merkmal der gestörten Sprechflüssigkeit, so definieren wir S. in dem Sinn, dass die betroffene Person weiß, was sie sagen will, dabei aber deutlich die Zeitspanne überschreitet, die man normalerweise zur Produktion einer Äußerung erwarten kann. Natke (2000): Stottern ist eine Redeflussstörung oder Sprachablaufstörung, bei der es nicht nur gelegentlich, sondern auffallend häufig zu Unterbrechungen im Redefluss kommt. Ein Stotterer weiß genau, was er sagen will, ist aber im Augenblick des Stotterns unfähig, die für die Umsetzung des sprachlichen Inhaltes erforderlichen Artikulationsbewegungen fließend auszuführen. 2. Fakten (Kiese-Himmel 1996)
3. Geschichte (Baumgartner 1998) Stottern – Geschichte (Baumgartner 1998) ï® Heute nähert man sich dem Stottern mit personenbezogenen, hypothetischen Bedingungsmodellen. Bei der Suche nach „Wahrheiten“ stieß man schnell an die Grenzen wissenschaftlicher Forschung. Adolf Kussmaul (1877) Arzt Albert Gutzmann (1979) Taubstummenpädagoge Hermann Gutzmann (1924) Spracharzt: Organgenetische Ursachentheorie
leicht vermittelbar, garantiert schnellen Erfolg, gibt Handlungssicherheit, enttabuisiert das Stottern und macht es greifbar/beherrschbar
Karl Hansen (1929): Ziel wird durch „geistlosen sprachgymnastischen Drill“ nicht erreicht. Er verweist auf die Zusammengehörigkeit aller Sprachlaute und lehnt das Erlernen des Einzellauts ab. Aber: auch eine Übungstherapie kann psychotherapeutisch wirksam sein!!! Richtiges Sprechen ist Ausgangspunkt für eine eigene Umerziehung. den Abbau der Sprechangst und des Aufbaus komm. Sicherheit. Psychogenetische Ursachentheorie
Siehe auch covert repair–Hypothese (Postma 199?, s.u.) Albert Liebmann (1914): Stotternde sprechen flüssig, wenn sie abgelenkt sind ï® daher, psychische Störung, nicht organisch! Die physiologische Grundstörung – eine Schwächung des Sprachzentrums – überlagert zunehmend eine psychische Störung bedingt durch Reaktionen der Umwelt. Er schlägt – aufgrund vieler Ursacheneinflüsse – eine methodenpluralistischen Weg ein, nicht nur „die“ rationelle Heilmethode der „Gutzmänner“. Sprechanweisungen sind nicht Selbstzweck, sondern dienen der Gewinnung der Erkenntnis: Ich kann ohne Anstrengung ganz von selbst sprechen. Demand- und Capacity-Modell (Anforderungs-Kapazitätenmodell von Starkweather und Gottwald 1990) ï® s.u. Das stotternde Kind und seine Umwelt stellen Ansprüche an das Sprechen. Die sprachlichen, kognitiven, motorischen und emotionalen Kapazitäten des Kindes sind altersangemessen beschränkt. Wird das Gleichgewicht zwischen den kindlichen Kapazitäten und den Anforderungen gestört, sind gestotterte Unflüssigkeiten bei einer grundlegenden Veranlagung dazu die Folge. Aller Unterricht ist Therapie:
Die sprechübende Behandlung ist relativ methodengeschlossen, die seelische Umerziehung konzeptionell wenig eindeutig. Deshalb ist die Lehrer- und Schülerpersönlichkeit ausschlaggebend für den Therapieerfolg. „Vom Kinde aus...“ Aber: Gefahr eines unreflektierten Methodenpluralismus ist nicht zu vernachlässigen!
Drittes Reich... ...erstickt aufblühende Eigenständigkeit der Sprachheilschule. Aufmerksamkeit wird danach wieder auf die Altmeister gerichtet. Heute: Sicht des Stotterns vor dem individuell geschichteten Gefüge aus Disposition, neuromotorischer Grundauffälligkeit und einer die Sprechflüssigkeit hemmenden unzureichenden linguistischen Kompetenz, in die schließlich emotionale und kognitive Unsicherheiten, verbunden mit geringer Selbstakzeptanz und ungünstigen Aktionen der personalen Umwelt hineinwirken. Heute wird das Stottern datenbezogen im Detail analysiert:
Erst nach eingehender Diagnose wird von Kind-Therapeut-Bezugsperson das Behandlungsziel und die Methoden ausgehend vom Kind festgelegt. Wichtig ist, was die Betroffenen selbst ändern wollen, nicht, was wir als Therapeuten glauben, dass sie zu ändern wünschen! Am Ende jeden Therapieschritts steht das Feedback für alle. Nicht mehr Heilung, sondern „flüssiges Stottern“ (fluency shaping) steht im Mittelpunkt. Therapie: Das Ideal der ganzheitlichen Sprachtherapie wird durch den Aufbau „flüssiger Kommunikationsfähigkeit“ am deutlichsten verwirklicht: Der Therapeut modelliert den weicheren Stimmeinsatz und das verringerte Sprechtempo. Situationsangemessenes Vor- und Nachstrukturieren gemeinsamer Tätigkeiten ziel systematisch auf Sprechleistungen, die der Schüler flüssig bewältigen kann. Ein gezieltes Feedback überzeugt ihn von seiner Sprechfähigkeit. Der Therapeut ermutigt zur Veränderung, sorg für Transparenz der Ziele, leitet zur Selbsthilfe an. Motor der Lernmotivation sind die kommunikativen Absichten des Schülers und das den Sprecherfolg garantierende strukturierte Sprachhandlungsangebot des Pädagogen. Ziel sind offene Dialoghandlungen in realen und inszenierten Situationen. Konstruktive Kommunikation ist gefragt. Aber: wie Rothe erkannt hat, besteht die Gefahr des beliebigen Methodenpluralismus, dem Laissez-faire-Stil. Durch die Betonung der Sprachautonomie und die relativ geringe Einflussmöglichkeit sprachtherapeutischer Verläufe wird oft vergessen, dass es auch Kinder gibt, die einer gezieltere und systemischen Instruktion bedürften und die Eigenhilfe eben nicht zum selbständigen Sprachlernen nutzen können. ï® engere, sprechübende Verfahren gehören deshalb auch in das Therapieinventar der Sprachheilpädagogik! ï® Die Anstrengung, das Komplexe des Stotterns in seiner Totalität erfassen zu wollen, Sprachtherapie ganzheitlich und systemisch zu gestalten, stößt an Grenzen!!! ï® Therapie ist eine umgrenzte Dienstleistung, die möglichste effektiv, transparent und qualitativ gut auszuführen ist. 4. Entwicklung der Sprechflüssigkeit Im Laufe der Sprachentwicklung verringern sich zwar die Wiederholungen, dafür nehmen aber die Einschübe zu. Es werden also die Unflüssigkeiten mit zunehmendem Alter zum Vorteil der Sprechers (Sprechplanungszeit) eingesetzt. Ein normal sprechendes Kind entwickelt sich demnach nicht zum flüssigen Sprecher, sondern zum kompetent unflüssigen Sprecher (Starkweather). 5. Symptome(Kiese-Himmel 1996) 5.1 Quantitative Abweichung meint eine Reduzierung der normalen Sprechgeschwindigkeit von etwa 150 bis 200 Silben pro Minute. 5.2 Qualitative Erscheinungsformendes Stotterns können sprech-sprachlich und nonverbal sein, offen und verdeckt auftreten. 5.2.1 Sprech-sprachliche Abweichungen: KernsymptomatikDie Bezeichnung „Kernsymptome“ stammt von Van Riper Wiederholungen und Blockierungen und Kombinationen aus beiden in unterschiedlicher Häufigkeit und Ausprägung. Alle Stotternde haben sie als Symptome gemeinsam. 5.2.1.1 spannungslose Wiederholungen sprachlicher Einheiten
5.2.1.2 Dehnungen von Lauten und Silben
5.2.2 nonverbale Auffälligkeiten: BegleitsymptomatikVon Stotterndem zu Stotterndem unterschiedlich in Form und Ausprägung, da es um das Bemühen geht, die sprech-sprachlichen Auffälligkeiten zu überwinden, zu vermeiden oder sie gar nicht erst aufkommen zu lassen. Begleitsymptome äußern sich auf den folgenden Ebenen: 5.2.2.1 Emotionen und Einstellungen
5.2.2.2 Verhalten / Sozialverhalten
5.2.2.3 SprechverhaltenVeränderung der Sprechweise
5.2.2.4 Sprachliche Ebene
5.2.2.5 Motorik
5.2.3 Wechselwirkungen von Kern- und Begleitsymptomatik
Weikert: Stottern kann phasenweise stärker oder schwächer auftreten. Stress und Belastung führen zu erhöhter Muskelanspannung; Stottern wird auch durch Zeitdruck, Unsicherheit, Angst vor Personen/Situationen verstärkt, auch bei körperlicher Anstrengung, Übermüdung, Krankheit, Erschöpfung. 5.2.4 BezeichnungenAn diesen Beispielen wird deutlich, dass es irreführend ist, die Kernsymptome als „Primärsymptome“ zu bezeichnen und die Begleitsymptome als „Sekundärsymptome“. Damit wird eine einseitige Kausalität und Abfolge suggeriert. Ebenso sollten nach Sandrieser / Schneider (2001) die Bezeichnungen „tonisches Stottern“ für angespannte Blockierungen und Dehnungen und „klonisches Stottern“ für Wiederholungen vermieden werden. Sie stammen aus einer Zeit, als man noch vermutete, dass es ich beim Stottern um ein cerebrales Krampfleiden handele und als noch von Stotterspasmen die Rede war. In diesen Bezeichnungen vermischen sich Beschreibung der Symptome und Vermutungen über die Entwicklung des Stotterns auf unpräzise Weise. Heute wird eine differenziertere Diagnose nach Häufigkeit, Dauer, Auftritt von Wiederholungen, gedehnten Prolongationen und Blockaden angestrebt. Es gibt keine empirischen Ergebnisse, die einen Trend der Abfolge feststellen konnten, z.B. von klonisch nach tonisch oder von Kernsymptomen zu Begleitsymptomen. 5.3 Charakteristika des Stotterns im Kindesalter(Sandrieser / Schneider 2001, wenn nicht anders angegeben) 5.3.1 Beginn des kindlichen StotternsIm 2. oder 3. Lebensjahr (Phase des zunehmenden Gebrauchs längerer linguistischer Einheiten) oder auch im 4. oder 5. Lebensjahr (nachdem die Kinder zuvor schon flüssig, grammatikalisch weitgehend korrekt gesprochen haben) (Johannsen 2001) zwischen 2. und 4. Lebensjahr am häufigsten, zwischen 6. und 8. sowie 12. und 14., wobei es meist allmählich und nicht abrupt beginnt, anfangs jedoch oft nicht bemerkt wird (Baumgartner 1994) Baumgartner 1999: mittlerweile auch Fälle abrupten Stotterbeginns nachgewiesen; dynamischer Verlauf und dann progressiver Verlauf zu schwerwiegenderen Symptomen (Grohnfeldt 1992, Schulze u.a. 1991, Baumgartner 1999)
5.3.2 Prävalenz
5.3.3 Wechselwirkungen mit der kindlichen Entwicklung(Sandrieser / Schneider, S. 28-48, superkurze Zusammenfassung!) 5.3.3.1 Sprachentwicklung
5.3.3.2. Sensomotorik Wachstum Anpassung Stottern Intuitives Ankämpfverhalten (komplexe Bewegungsabläufe) stabile Synergismen1 Therapie: Taktil-kinästhetische Wahrnehmung verbessern ï® Synergismen unterdrücken 5.3.3.3 KognitionNormalverteilung der Intelligenz bei Stotternden! Kognitive Entwicklung ist weiter vorangeschritten als die Fähigkeiten in der Sprechplanung und der Sprechmotorik ï® Ungleichgewicht ï® Stottern Die Kognition wirkt dabei stabilisierend (metasprachliche Fähigkeiten + hohe Ansprüche an die Kommunikation ï® Selbstkorrektur) ï® Entwicklung einer Identität als Stotternder. 5.3.3.4 Emotionen
Primäre Gefühle: Verwirrung, Ärger, Hilflosigkeit, Panik, Wut, Traurigkeit Ursprüngliche Reaktionen auf das Stottern Folge: Verlust der Sprechfreude, Ankämpfverhalten Stottern ï® negative Reaktionen der Zuhörer ï® Infragestellen der Beziehungsqualität ï® negative Selbsteinstellung ï® Verdrängung von Gefühlen und Bedürfnissen ï® Sekundäre Gefühle Sekundäre Gefühle: Scham, Schuldgefühle, erlernte Hilflosigkeit, übersteigerte emotionale Selbstkontrolle Gelernte Reaktionen, die sich selbst verstärken! Stottern ï® von der Sachebene zur Beziehungsebene ï® Reaktion: Hilflosigkeit auf beiden Seiten ï® Hilfs- und Vorbeugereaktionen sowie Peinlichkeitsreaktionen beim Zuhörer (Stottern = Bedrohung der eigenen Selbstsicherheit) ï® normale Unflüssigkeiten bei starken Emotionen und Verunsicherung werden auf den Stotternden übertragen: dieser sei schon verunsichert oder überfordert bei banalen Gesprächen und damit psychisch labil ï® Vorurteil Johnson schlug 1942 Tabuisierung als Therapie vor ï® völlig daneben, da unbewusst auf der Beziehungsebene andere Botschaften gesendet werden ï® Stotternder fühlt sich belogen Auf den durch das Stottern entstehenden Zeitverlust reagieren Zuhörer mit Ungeduld. Das Akzeptieren des Stotterns setzt die Bereitschaft zum Abwarten voraus und keine negative Bewertung der Unflüssigkeiten. 5.3.4 GesellschaftUnzulässige Übertragung der Alltagerfahrungen Nichtstotternder auf den Stotternden ï® Vorurteile (psychisch labil, gestört...) ï® Einfluss auf die Stotternden: a) direkt: Eltern, Ärzte, Pädagogen, b) indirekt: Medien (stereotyp negatives Bild) ï® Therapie startet zu spät ï® ggf. Chronifizierung Therapie muss Multiplikatorenfunktion haben (informieren) und es muss ein offensiver Umgang mit dem Stottern gelernt werden. Voraussetzung dafür ist ein Selbstbild als kompetenter Gesprächspartner. 5.3.5 SchuleStottern Verhaltensauffälligkeiten Ablehnung negatives Selbstbild Begleitsymptome Ankämpfen Rückzug weniger prosoziales Verhalten mehr Regelverletzungen Nachlassen schulischer Leistungen Intervention:
5.4 Besonderheiten des Stotterns im Jugendalter(Weikert)
5.5 CopingWenn eine Person sich auf Störungen einstellen muss und diese zu bewältigen versucht, dann spricht man von Coping2 (Sandrieser /Schneider). Die dabei eingesetzten Strategien sind Ausdruck kreativen Problemlöseverhaltens. Funktioneller Coping-Strategien sind das Ziel der Therapie. 6. Abgrenzungsphänomene6.1 normale/funktionelle Unflüssigkeiten
6.2 Poltern
6.3 neurogenes Stottern
6.4 psychogenes Stottern
6.5 spasmodische Dysphonie
7. Theorien7.1 flüssiges und unflüssiges SprechenDie Sprachflüssigkeit (also die Kompetenz, sich in einer Sprache mit ihren syntaktischen, semantischen und pragmatischen Anteilen ausdrücken zu können) ist bei Stotternden gegeben: sie wissen, was sie wann sagen wollen. Bei Stotternden ist der Redefluss gestört, also die Sprechflüssigkeit. Es gibt keine Definition von Flüssigkeit, da sie nicht untersucht wurde. Allein auf der Basis der Untersuchung von Unflüssigkeiten leiten sich die Meinungen ab. 7.2 Starkweathers Konzept des flüssigen und unflüssigen SprechensDefinition: Flüssiges Sprechen heißt, mit einem normalen Maß an Kontinuität, Geschwindigkeit und Anstrengung zu sprechen. (Starkweather 1987) Anstrengung: Die Leichtigkeit, mit der ein Sprecher seine Äußerung realisiert.
Kontinuität: Aufrechterhaltung des Informationsflusses. Demnach sind funktionelle Unflüssigkeiten akzeptabel, symptomatische nicht. Die Kontinuität ist abhängig von der Geschwindigkeit. Geschwindigkeit: v.a. Geschwindigkeit der Realisation gesprochener Silben. Die Sprechgeschwindigkeit nimmt im Laufe der kindlichen Entwicklung zu. Ein kompetenter Sprecher spricht mit einer Geschwindigkeit von 5-6 Silben pro Sekunde. Rhythmus: Die Dauer der einzelnen Laute und damit das Betonungsmuster bestimmen den Rhythmus des Gesprochenen. Der Rhythmus ist ein unterstützender Faktor für die Sprechflüssigkeit: er erleichtert die die Ausführung des Gesprochenen und wirkt damit auch indirekt auf die Anstrengung, was wiederum die Geschwindigkeit erhöht. Bei verschiedenen Therapieansätzen müssen ggf. Parameter des flüssigen Sprechens (Geschwindigkeit, Kontinuität, Leichtigkeit) vernachlässigt werden, z.B. die Geschwindigkeit, damit eine Verbesserung der Sprechflüssigkeit eintritt. 8. Faktoren, die Beginn und Verlauf beeinflussen(Sandrieser / Schneider 2001) Stottern ist ein multifaktorielles Geschehen. Man kann Stotternde nicht klar von Nichtstotternden unterscheiden, da in beiden Gruppen sehr hohe interindividuelle Unterschiede auftreten. Auch die Ursache-Folge-Problematik scheint ungelöst (Natke 2000): gefundene Effekte können nicht klar als verursachende oder aufrechterhaltende Faktoren oder als Folge identifiziert werden. ï® es ist eine idiografische, also den Einzelfall beschreibende Sichtweise nötig (Motsch 1983). Schulze und Johannsen (1986) schlagen vor, zwischen disponierendem auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren zu unterschieden. 8.1 Disponierende, auslösende und aufrechterhaltende FaktorenDisponierende Faktoren begünstigen das Auftreten von Stottern, auslösende Faktoren spielen eine Rolle beim Beginn des Stotterns und verantwortlich für die Aufrechterhaltung des Stotterns sind stabilisierende, chronifizierende und generalisierende Faktoren. Die im weiteren genannten Faktoren haben einen Einfluss auf die Entstehung und Aufrecherhaltung des Stotterns, soviel ist gesichert. Der Einfluss eines Faktors im Einzelfall und das Zusammenwirken der Faktoren ist jedoch unbekannt. Viele Faktoren können sowohl auslösend als auch aufrechterhaltend wirken. 8.1.1 Disponierende Faktoren Veranlagung zum Stottern, ggf. aus mehreren Faktoren (die genaue Bedeutung der Veranlagung ist noch unerforscht)
Die Entwicklung der Rückmeldung ist gekoppelt an die Entwicklung der Wahrnehmung, der Motorik und der kognitiven Entwicklung.
Bei stotternden gibt es beim dichotischen Hören mehr Menschen mit Linksohrvorteil ï® Rechte Hemisphäre bevorteilt Linkshändige Kinder habe eine geringere Chance der Remission. Problem: Lateralitätsentwicklung (v.a. das Hören betreffend) ist im Grundschulalter noch nicht abgeschlossen, das Stottern aber schon manifestiert ï® Untersuchungen sind mit Vorsicht zu genießen ï®ï® disponierende Faktoren, die sich selbst entwickeln, können zu verschiedenen Zeitpunkten wirksam werden.
Die Entwicklung flüssigen Sprechens ist eng mit der Sprachentwicklung verknüpft. Eine Untergruppe stotternder Kinder zeigt Auffälligkeiten der Sprachentwicklung (z.B. späterer Sprechbeginn). Verschiedene Faktoren der Sprachentwicklung können vermutlich sowohl disponierend als auch auslösend und aufrechterhaltend sein.
Es sind keine Intelligenzunterschiede zu finden. Auch Persönlichkeitsstruktur und emotionale Entwicklung sind unauffällig ( nicht generelle schüchterner, sensibler...) Auffälligkeiten im Selbstbild und in der emotionalen Entwicklung sind Folge und nicht Ursache des Stotterns.
Es lässt sich keine disponierende Wirkung feststellen. 8.1.2 Auslösende FaktorenDa sie den beginn des Stotterns betreffend, werden sie fälschlicherweise oft als Ursache genannt. Häufig genant:
Achtung: ein Ereignis reicht nicht aus, es sind disponierende Faktoren nötig ï® Eltern die Schuldgefühle nehmen!!! Die Erhebung der auslösenden Faktoren ist umso schwieriger, je später. Zuverlässigkeit der Angaben ist aufgrund des Kausalitätsbedürfnisses von Eltern in Frage gestellt werden. Traumata können Auslöser sein, wobei erfrage werden muss, welche aufrechterhaltenden Faktoren noch nachwirken. Bei Verdacht auf eine nicht genanntes Trauma3 muss eine psychologischen Abklärung in Erwägung gezogen werden. 8.1.3 Aufrechterhaltende Faktoren
Achtung: Veränderungen der aufrechterhaltenden Faktoren können das Stottern verringern oder stabilisieren ï® therapiebegleitende Verlaufsdiagnostik ist nötig! 8.1.3.1 Die aufrechterhaltende Wirkung von UmgebungsfaktorenSymptome sind situationsabhängig: linguistische Anforderungen und Kommunikationsdruck beeinflussen die Unflüssigkeit. Allgemeine Ursachen für umweltbedingte Belastungen (Prins 1983)
Kommunikative Stressoren (Prins 1983)
Problematisch ist, dass durch solche Faktoren die Eltern und die Umgebung eine hohe Verantwortung bekommen und ihnen eine negatives Interaktionsverhalten unterstellt wird. Schulze 1989: Unterschiedliche Verhaltensweisen zwischen Familien stotternder und nicht-stotternder Kinder konnten nicht festgestellt werden. Der einzige Unterschied war eine sehr unterschiedliches Sprechtempo der Eltern ï® Kinder bekommen sehr unterschiedliche Modelle hinsichtlich der Sprechgeschwindigkeit. Meyers und Freeman 1985: Mütter stotternder Kinder sprechen mit allen Kinder schneller als Mütter nichtstotternder Kinder. Zudem sprechen sie mit stotternden Kindern schneller als mit nichtstotternden. ï® erhöhtes Sprechtempo als Folge der Kommunikation mit dem stotternden Kind. Meyers und Freeman 1985: Flüssig sprechende Kinder werden von ihren Müttern seltener unterbrochen als unflüssige (emotionale Reaktion auf Stottern) ï® Verunsicherung des Kindes. Kloth et al. 1999: Kinder remittieren häufiger, wenn die Mütter nach dem Auftreten des Stotterns ihren Gesprächsstil nicht in eine direktivere Art umwandelten, sondern einen indirekten Stil beibehielten. (Achtung, Studie nicht repräsentativ!) Meyers 1991: Das Stottern bei Vorschulkindern ist weniger empfindlich für Zuhörerreaktionen als das Stottern bei Schulkindern. Situative Faktoren scheinen sich stärker auszuwirken als der Interaktionsstil des Gesprächspartners. Fazit: Es gibt keine allgemeinen Merkmale einer stotterspezifischen Umgebung. Im Einzelfall können die genannten Faktoren jedoch auf den Verlauf des Stotternseinwirken. ï® Die Umgebungsfaktoren sind im Einzelfall relevant, es darf aber nicht den Eltern und der Umgebung die Verantwortung gegeben werden. 8.1.3.2 Aufrechterhaltung durch dysfunktionale Coping-StrategienCoping-Strategien führen oft zu sich selbst verstärkenden Kreisläufen und können zu immer auffälligeren Verhaltensmustern führen. Ehemals hilfreiche Verhaltensweisen werden dabei auch ohne Nutzen aufrecht erhalten. Nach Van Riper (1986) wird das Ankämpfverhalten durch das darauffolgende Flüssigsprechen „belohnt“ und stabilisiert. Dass nach einem Stotterereignis oft flüssig weitergesprochen wird, lässt sich vielleicht darauf zurückführen, dass dach einer starken Anspannung eine Entspannung folgt5. Denkbare Lernmodelle:
Fazit: Aufrechterhaltende Faktoren müssen in die Therapieplanung mit einbezogen werden! 8.2 Hypothesen über das Stottern(Rommel / Johannsen 1996, Mayer 1996, Sandrieser / Schneider 2001) 8.2.1 Diagnosogene HypotheseWendell Johnson 1942 (aus Sandrieser / Schneider) „Stottern entsteht nicht im Mund des Kindes, sondern in den Köpfen der Eltern!“ Stottern entsteht, wenn die Umgebung des Kindes auf normale Unflüssigkeiten in der Sprachentwicklung falsch reagiert und das Kind daraufhin Anstrengung und Verkrampfung zeigt. Aber: Studien zeigen, dass sich schon frühe Unflüssigkeiten im Sprechen stotternder Kinder von denen nicht stotternder Kinder unterscheiden, zudem konnte kein Zusammenhang zwischen einer Erwartungshaltung der Eltern bzw. allgemeinem Druck und Stottern festgestellt werden. Es findet eine Verantwortungszuschreibung statt und es wird negiert, dass schon kleine Kinder früh ihre Unflüssigkeiten wahrnehmen. Zudem ist nicht festzustellen, wann das Kind die Eltern beeinflusst und wann die Eltern das Kind. 8.2.2 KontinuitätshypotheseOliver Bloodstein 1970 (Schüler Johnsons) (aus Sandrieser / Schneider) These: Die Anzahl der Unflüssigkeiten ist ausschlaggebend für die Diagnose „stotternd“ oder „nicht stotternd“. Die Häufigkeit von Unflüssigkeiten ist in einem Kontinuum angesiedelt (von normalen Unflüssigkeiten bis zum Stottern der Stufe 4 (s.u.)) mit einer „Grauzone“ in der Mitte des Kontinuums mit unsicherer Einschätzung. Auch die Qualität wird berücksichtigt. Interner Faktor: Wenn das Kind Sprechen als schwierig empfindet, verstärkt dies die Anstrengung und provoziert neue Stotterereignisse. Vierphasiges Modell der Entwicklung des Stotterns: Phasen sind nicht als Stufen zu sehen und nicht voneinander zu trennen. Die Altersangaben können schwanken. Phase 1: bis zum Alter von 7 Jahren. Variierende und fluktuierende Unflüssigkeiten. V.a. Silbenwiederholungen, teils mit Begleitverhalten. Noch keine negative Einstellung zum Sprechen. Phase 2: ab dem Vorschulalter, typischerweise im Grundschulalter, teils bis zum Erwachsenenalter bleibend. Chronisches Stottern mit beständigen, situationsgebunden variierende Ausprägung. Der Stotternde empfindet sich selbst als Stotternder, reagiert aber wenig darauf (kein Vermeide- oder Ankämpfverhalten). Phase 3: ab dem 8. Lebensjahr, kann bis ins Erwachsenenalter andauern. Vorhersehbare Symptome, schwierige Laute oder Wörter; Vermeideverhalten. Keine generalisierte Angst und kein Vermeiden von Sprechsituationen. Phase 4: an dem 10. Lebensjahr: volle Ausprägung des Stotterns. Ankämpf- und Vermeideverhalten, Angst vor dem Stottern: Stottern ist ein ernsthaftes Problem. Dieser Phase sollte vorgebeugt werden! 8.2.3 Vier Entwicklungsverläufe (Tracks)Charles Van Riper 1970er Jahre (Kollege Johnsons) (aus Sandrieser / Schneider) Eltern erkennen, ob Unflüssigkeiten symptomatisch oder funktionell sind. Die diagnosogene Theorie kann also nicht stimmen. Vier Entwicklungsverläufe des Stotterns: Verlauf 1: Zu Beginn große interindividuelle Unterschiede in Qualität und Quantität der Unflüssigkeiten. Tendenz, dass Wiederholungen in Dehnungen übergehen. Gradueller beginn und periodisches Auftreten. Reaktionen: Sprechangst, Sprachanstrengung, Vermeideverhalten. Betraf die Hälfte von 300 Fallbeispielen. Verlauf 2: Frühes auftreten der Unflüssigkeiten, Sprachentwicklungsverzögerung, seltene Dehnungen und Blockierungen, häufig erhöhte Sprechgeschwindigkeit (Polterkomponente?). Reaktionen weniger ausgeprägt als in Verlauf 1. Verlauf 3: Sehr plötzliches Auftreten der Symptome (z.B. Trauma), Blockierungen mit sofortigen Reaktionen (Anspannung, Sprechanstrengung, Frustration). Trend zu mehr Wiederholungen, aber ausgeprägte Sprechangst und Vermeideverhalten. Verlauf 4: Auffälligkeiten entsprechen nicht den typischen Stottersymptomen. Plötzliche Phrasen- und Satzwiederholungen mit geringer Variabilität, wenige Vermeideverhalten, Anspannung, Frustration. Form kann spät einsetzen, auch im Erwachsenenalter. Probleme: geringe Anzahl der Fallberichte (300), retrospektive Betrachtung (z.T. mit später projizierten Kausalzusammenhängen), neuere Daten schließen Möglichkeit 3 aus (monokausal). Nur zwei Drittel der Verläufe lassen sich auf diese vier Varianten zurückführen. Aber: Es scheint Subgruppen mit unterschiedlichen Verläufen zu geben. Die Umwelt mit ihren Reaktionen bestimmt nicht allein den Verlauf. 8.2.4 Anforderungs-Kapazitäts-ModellWoodruff Starkweather und Sheryll Gottwald 1990 (aus Sandrieser / Schneider) Stottern tritt dann auf, wenn die Anforderungen von außen oder die Anforderungen, die das Kindes selbst an sich stellt, die Fähigkeit des Sprechers übersteigen; auf der kognitiven, linguistischen, motorischen und / oder sozialen / emotionalen Ebene. Es sind also zwei Seiten von Bedeutung: Anforderungen und Fähigkeiten. Flüssiges Sprechen kann sich dann entwickeln, wenn ein Gleichgewicht zwischen Anforderungen und Kapazitäten vorliegt. Ein Ungleichgewicht führt zu unflüssigem Sprechen. Hierbei kann das für flüssiges Sprechen kritische Profil von Anforderungen und Fähigkeiten individuell sehr unterschiedlich sein. Die selben Anforderungen können ein Kind unflüssig werden lassen, während das andere keine Veränderungen im Redefluss zeigt. Das Verhältnis von Anforderungen und Fähigkeiten verändert sich ständig in Abhängigkeit von Reifungsprozessen und Umgebungsfaktoren. So werden vorübergehende oder endgültige Remissionen erklärt. Ein länger anhaltendes Ungleichgewicht begünstigt das Entstehen von Stottern und ein anhaltendes Ungleichgewicht fördert die Chronifizierung. Die Phase zwischen 2 und 8 Jahren, in der Stottern meist entsteht, kann als sensible Phase für den Erwerb der Sprechflüssigkeit verstanden werden: die Fähigkeit zum flüssigen Sprechen reagiert am empfindlichsten auf interne und externe Anforderungen. Selbst gestellte Anforderungen können aus denen der Umwelt resultieren, aber auch darin begründet sein, dass sich das Kind bei der Auseinandersetzung mit dem nächsten Entwicklungsschritt (Zone der nächsten Entwicklung) an der Grenze der Selbstüberforderung bewegt. Das Modell ist nicht empirisch abgesichert und die Trennung der Faktoren etwas künstlich. Trotzdem ist es für die Entwicklung von Therapieschwerpunkten im Bereich Risikofaktoren und für die Ableitung neuer Fragestellungen in der Stotterforschung gut geeignet. 8.2.5 AntizipationshypotheseOliver Bloodstein 1995 (aus Rommel /Johannsen) Bestimmte Merkmale von Wörtern führen zu bestimmten Situations- und / oder Merkmalen von Personen zu einer Erwartung (Antizipation) des Stotterns. Daher werden Sprechunsicherheiten und Ängste aufgebaut. Das Kind versucht deshalb, durch diverse Strategien das Stottern zu verhindern. Das führt dann zum Stottern. 8.2.6 Covert-Repair-HypothesePostma und Kolk 199??? (aus Rommel /Johannsen, Mayer) Während der normalen Sprachproduktion überwachen Feedback-Schleifen die Produktion, um schnell Irrtümer in der Planung und Ausführung der Sätze zu erkennen und zu korrigieren. Verdeckte („covert“) Irrtümer in der Artikulationsplanung könnten im Prozess der Selbstkorrektur zum (offenen und wahrnehmbaren) Stottern führen: Der Sprecher entdeckt seinen Fehler längst schon vor der Artikulation der Äußerung und versucht ihn zu korrigieren, was zu den typischen Unterbrechungen des Redeflusses führt. Bildhaft: Bei Stotternden leuchtet zu oft ihre innere Kontrollleuchte „Achtung Irrtum“ auf; sie reagieren automatisch mit Verzögerungen oder neuen Sprechansätzen Die Irrtümer in der Artikulationsplanung könnten ausgelöst werden durch eine verzögerte Aktivierung der Elemente im phonetischen Plan, die zu verlängerten Perioden der Unsicherheit in der Auswahl der Zielelemente führen. Stottern wird also möglicherweise dann ausgelöst, wenn Unsicherheit zu der gleichzeitigen Aktivierung mehrerer Zielelemente führt, von denen manchmal das falsche Element ausgewählt wird. Der „innere Monitor“ entdeckt diese Irrtümer und reagiert darauf mit Verzögerungen und neuen Anläufen. Die CRH könnte nach Yaruss und Conture (1996) eine Erklärung dafür sein, dass im verlauf der Behandlung phonologischer Störungen manche Kinder plötzlich verstärkt unflüssig sprechen: sie stellen im Verlauf der Behandlung fest, dass sie Fehler machen und korrigieren sich offen oder versteckt, was zu Unflüssigkeiten führt. 8.2.7 linguistische KomplexitätWeiss und Zebrowski 1992 (aus Mayer) Ein wichtiger linguistischer Faktor sind lange, komplexe Äußerungen, die höhere Anforderungen an die Sprechmotorik stellen („kommunikative Verantwortung“). Durch die Versuche, solche Äußerungen zu sprechen, tragen die Kinder selbst zu ihrem Stottern bei. 8.2.8 „response time latency“Winslow und Guitar (aus Mayer) Die RTL ist die Zeit zwischen dem Ende der Äußerung eines Sprechers und dem Beginn der Äußerung des nächsten Sprechers. Das Stottern der Kind nahm ab, wenn sich die Familienmitglieder mehr Ruhe und Zeit zum Planen einer Äußerung nahmen. 8.2.9 FragmentierungshypotheseOliver Bloodstein 1993 (aus Rommel /Johannsen) Junge stotternde Kinder wiederholen meist das erste Wort oder auch einen Satzteil, weil sie merken, dass „alles auf einmal“ zu schwierig wäre und scheitern würde. Aber: Die Unflüssigkeiten treten auch bei den jüngsten stotternden Kindern nicht primär am Satzanfang auf und die Unflüssigkeiten entsprechen nicht den Unflüssigkeiten, wie sie bei jungen stotternden Kindern von Bloodstein berichtet werden. 8.2.10 Breakdown-HypotheseOliver Bloodstein (aus Rommel /Johannsen)Das Stottern ist Ausdruck oder Folge eines Zusammenbruchs des für die Sprechsteuerung zuständigen physiologischen Systems. Aber: Kinder zeigen Unflüssigkeiten an Stellen, die nicht im Rahmen der physiologischen Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden würden. 8.2.11 InformationsgehalthypotheseTaylor 1966 (aus Rommel /Johannsen) Auf Inhaltswörtern oder ungebräuchlicheren Wörtern oder bei Wörtern, wo der Vorhersagegehalt der weiteren Äußerung gering ist, wird häufiger gestottert. Aber: widerlegt, da viele Stotternde genau wissen, was sie sagen wollen und diese Variable sich mit anderen (Wortlänge, Position im Satz, usw.) überschneidet. ï® Mit Ausnahme der Satzlänge gibt es keine Konstanten bei den Stottervariablen. Dies deutet darauf hin, dass keine spezifische Hypothese zur Ätiologie und Verlauf Allgemeingültigkeit beanspruchen kann, sondern mehrdimensional in Subgruppen oder singulär beschreibend gedacht werden muss. 8.3 Prognosefaktoren Ergebnisse der Längsschnittstudie von Johannsen et al.:
9. Vermutungen zu den Ursachen(Kiese-Himmel 1996) Die Ursachen des Stotterns und seine Verlaufsdynamik sind nach wie vor unbekannt. Aber man kennt inzwischen viele Bedingungen, die mit dem Stottern in Zusammenhang stehen. Die Ätiologie von pathologischen Sprechunflüssigkeiten ist grob zu unterteilen in
Baumgartner: Die Ursache des Stotterns ist nach wie vor nicht bekannt. Die Vermutung darüber berühren heute vorwiegend zwei Erklärungsdimensionen:
Im Konzept der kontinuierlichen Entwicklung des Stotterns kann das betroffene Kind wahrscheinlich auf der Basis prädisponierter neurolinguistischer und linguistischer Reifungs- und Lernprozesse, die für seine Sprechflüssigkeit benötigten Kapazitäten nicht in ausreichendem Maße bereitstellen. Stottern entwickelt sich aus einem individuell geschichteten Gefüge aus
9.1 organische / neurophysiologische UrsachenStudien zur regionalen Hirndurchblutung, ereigniskorrelierten Potentialen, dichotischem Hören und anderem haben ergeben, dass zumindest einige Stotternde zerebral für sprachliche Funktionen anders organisiert sind als Flüssigsprecher: die rechte Hemisphäre irritiert durch Überaktivierung die linke. Aber auch „voice-onset-time“, „voice-initiating-time“ und „speech-initiating-time“ sind verlängert. Stotternde haben häufiger und mehr stotternde Verwandte als Nichtstotternde. Es gibt nach Poulos und Webster (1993) zwei klinische Populationen erwachsener Stotternder: 1) eine Gruppe mit genetischer Prädisposition und 2) eine Gruppe mit hirnorganischer Belastung, die auf ein nicht voll entwickeltes Gehirn trifft, also mit zentralnervöser Prädisposition. Kinder stotternder Mütter stottern viel häufiger als Kinder stotternder Väter. Stottert ein eineiiger Zwilling, ist das Risiko, dass der zweite ebenfalls stottert bei 70%. Bei zweieiigen Zwilligen liegt das Risiko bei 32%, bei anderen Geschwistern nur noch bei 20%. Bei zweieiigen Zwillingen stottern nicht immer beide, demnach ist die Ausprägung von Umgebungs- und Erfahrungsfaktoren abhängig, die bislang nicht identifiziert werden konnten. Ungeklärt ist auch, nach welchem genetischen Modell Stottern vererbt werden könnte. 9.2 Verfestigung von EntwicklungsunflüssigkeitenStotternde Kinder haben zu nur 30 % (Riley und Riley 1980) keine anderen Auffälligkeiten (Feinmotorik, Artikulation, auditive Speicherung, Aufmerksamkeit...). Deshalb werden auch entwicklungsbedingte Leistungsschwächen als Prädisposition für Stottern vermutet. Während der Sprachentwicklung treten bei vielen Kindern Phasen unflüssigen Sprechens im Sinne von Laut-, Silben- und Wortwiederholungen auf, sogenannte physiologische Iterationen. Sie verlieren sich meist von selbst wieder. Korrigieren oder bestrafen die Eltern das Sprechverhalten ihrer Kinder, wird die unbewusste Selbstregulierung des Sprechens gestört. Das Kind versucht nun, sein Sprechen willkürlich zu steuern und tonische Symptome treten auf. Damit beginnt der pathologische Prozess: die Ansprüche / Erwartungen des Kindes und / oder der Umwelt übersteigen die altersgemäßen Fähigkeiten. ï® Anforderungs-Kapazitäts-Modell nach Starkweather et al. 1990: Für flüssiges Sprechen ist zu jedem Entwicklungszeitpunkt ein Gleichgewicht zwischen sprechmotorischen, kognitiven, linguistischen und sozial- emotionalen Kapazitäten und Anforderungen erforderlich. Ist das Gleichgewicht gestört, tritt Stottern auf. 9.3 psychosozialer Ursachenkomplex9.3.1 Neurosentheoretische ErklärungsansätzeEs gibt wenig empirische Hinweise darauf, dass Stottern als eine emotionale oder neurotische Störung zu klassifizieren wäre. Es ist belegt, dass keine grundlegenden Differenzen in der Persönlichkeitsstruktur von Stotternden und sog. Normalsprechenden bestehen. Auch die Annahme einer generellen Psychopathologie der Eltern ließ sich nicht halten. Auch die sozialen Bedingungen in Familien von stotternden und nichtstotternden Vorschulkindern unterscheiden sich nicht. 9.3.2 Lernpsychologische ErklärungsansätzeIndividualpsychologische Erklärungsansätze betonen den „Krankheitsgewinn“ des Stotternden, auch die funktionale Theorie von Bindel (1996) betrachtet das Stottern von Vorschulkindern als individuell sinnvolles Verhalten. Ein weiterer Grund zur Aufrechterhaltung des Stotterns ist auch das Verharren in der Gewohnheit. Stottern als gelerntes verhalten ist möglich, ebenso Stottern durch Modell-Lernen. 9.3.3 Stottern als RollenkonfliktDer Erklärungsansatz „Stottern als doppelter Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt“ meint nach Sheehan (1970) den Wunsch, zu sprechen und die Angst, zu stottern sowie den Wunsch, zu schweigen und die Angst, sprechen zu müssen. Aus dieser Ambivalenz ist die situative Variabilität des Stotterns abzuleiten. 9.4 Vorläufiges FazitDie ausschließliche ätiologische Bedeutung psychosozialer Faktoren bleibt vorerst ebenso wie die organischen / neurophysiologischen Faktoren ungeklärt; zumindest gelten monokausale Erklärungen des Stotterns für überholt. Heute werden Forschungsergebnisse in dynamisch-integrative Modellvorstellungen eingeordnet, die der interindividuellen Variabilität des Störungsbildes eher gerecht werden wollen. Beispiel dafür: 9.5 Modell von Johannsen und Schulze (1993) für das frühkindliche StotternModell der interaktiven Beziehung zwischen den Faktoren für Entstehung, Aufrechterhaltung und Verlauf des kindlichen Stotterns. Demnach erwirbt jeder Stotternde seine Störung individuell-biografisch durch unterschiedliche Faktoren, die sich in drei Bündel zusammenfassen lassen. Stottern wird in seiner Entstehung, seiner Ausprägung, seiner Aufrechterhaltung und seinem Verlauf von multiplen, koexistierenden und miteinander interagierenden Faktoren organisch /physiologischer, psychosozialer, psycholinguistischer Natur beeinflusst. Die Frage nach der Gewichtung dieser verschiedenen Faktoren sowie nach der Art und Stärke ihrer interaktiven Verknüpfung kann bisher nicht beantwortet werden. Die Schwierigkeit besteht nämlich darin, dass die Faktoren-Konstellationen nicht stabil bleiben, sondern sich mit der Zeit verändern. Stottern ist symptomatologisch wie auch ätiologisch kein homogenes Störungsbild, sondern nach Johannsen und Schulze ein multifaktorielles / multimodales Phänomen, das grundsätzlich oder zumindest momentan nur für den Einzelfall oder für bestimmte Subgruppen erklärt werden kann. 9.6. Prävention(Sandrieser / Schneider Seite 61) Die WHO nimmt eine Dreiteilung vor: Störung, Beeinträchtigung und Behinderung. Auf das Stottern übertragen:
Präventionsmaßnahmen richten sich danach:
Ressourcen müssen auch bedacht werden (Aktivität, Partizipation, Kontext)! 10. Diagnostik10.1 AllgemeinesDie Diagnostik des Stotterns ist heute durch die Analyse der Sprechunflüssigkeiten möglich, lässt aber keine Rückschlüsse auf eine Chronifizierung zu. Die Diagnostik gliedert sich in zwei Teile (Sandrieser / Schneider):
Dabei müssen drei Bereiche abgedeckt werden:
Ziele der Diagnostik:
ï® Erstellung einer einzelfallorientierten Therapieplanung Betrachtet werden müssen
sein können und sich überschneiden können. Fehldiagnosen Eine frühe Identifizierung ist nötig (Onslow 1992), damit so früh wie möglich mit der Therapiebegonnen werden kann. Dabei schadet eine falsche positive Identifizierung („Kind stottert“) einem Kind nicht (andererseits beeinflussen Beratung und Therapie das Selbstbild des Kindes negativ und es entsteht ein nicht gerechtfertigter therapeutischer Aufwand), eine falsche negative Identifizierung („Kind stottert nicht“) jedoch schon: längere, mühsamere Behandlung, größere Wahrscheinlichkeit des Scheiterns oder eines Rückfalls. Die drei Bereiche der Diagnostik von Stottern im Kindesalter Achtung, sie überschneiden sich! Bereich Stottersymptomatik ï® zeitweilige Unfähigkeit, kontinuierlich und ohne motorische oder mentale Anstrengung zu sprechen
Bereich psychische Reaktionen ï® welche auslösenden oder aufrechterhaltenden Wirkungen haben Risikofaktoren?
Bereich Risikofaktoren
allgemein belastende oder unterstützende Umgebungsfaktoren sprach- und sprechspezifisch überfordernde Umgebungsfaktoren Reaktionen aus der Umgebung auf Stottern Diagnosestellung
Diese Unterscheidung macht keine Aussagen über den Schweregrad, eine Therapieindikation oder die Remissionswahrscheinlichkeit! Der Schweregrad muss näher beschrieben werden (z.B. 12 % der Wörter unflüssig, 9 Wiederholungen, ½ Sekunde Dehnung, Begleitsymptome:...). 10.2 Ablauf der DiagnostikAbkürzungen:
Telefongespräch bei der Anmeldung Ziel: Vorbereitung der Erstdiagnostik Inhalt: Einholen von Informationen zur Planung der Diagnostik Vermittlung von Informationen über das Vorgehen ggf. anamnestischen Fragebogen zuschicken ggf. Audio- oder Videoaufnahme zu Hause erstellen lassen Erste Sitzung Ziel: Datenerhebung zur Ermittlung der Behandlungsbedürftigkeit Inhalt: Kurzanamnese mit Eltern und Kind Erhebung der Sprechproben mit Audio- oder Videoaufzeichnung Spielsituation mit der Therapeutin bzw. je nach Alter und Kontaktbereitschaft Spielsituation mit Eltern und Kind Beobachtungen zum Entwicklungsstand und Kommunikationsverhalten Beobachtungen von Reaktionen auf kommunikative Stressoren (RKS) Beobachtung der Reaktionen des Kindes auf Thematisieren und Pseudostottern der Untersucherin (RSU) Ggf. Lesen bei Schulkindern, wenn als problematisch bezeichnet Auswertung der ersten Sitzung Fragestellungen: - Liegt behandlungsbedürftiges Stottern vor? - Müssen weitere Diagnostiksitzungen stattfinden? - Wie sind die Eltern zu beraten? Bereiche: Stottersymptomatik
Psychische Reaktionen auf Stottern - Auswertung von Anamnese und RSU Risikofaktoren - Interpretation von Verhaltensbeobachtungen hinsichtlich der Reaktionen auf kommunikative Stressoren (RKS) Interpretation von Verhaltensbeobachtungen hinsichtlich aufrechterhaltender Mechanismen und Risikofaktoren wie Sprachentwicklungsstand, pragmatische Fähigkeiten, allgemeiner Entwicklungsstand Zweite Sitzung Ziel: Datenerhebung zur Ermittlung der Behandlungsschwerpunkte Inhalt: Anamnesegespräch mit den Eitern zu noch ausstehenden Fragestellungen Auswertung der ersten beiden Sitzungen: Fragestellungen:
Bereiche: Stottersymptomatik - Interpretation der anamnestischen Daten psychische Reaktionen auf Stottern - Auswertung der Anamnese Risikofaktoren
Befund Stellungnahme zu Diagnose, Behandlungsbedürftigkeit und weiterem Vorgehen Wenn kein Stottern vorliegt, wird an dieser Stelle die Diagnostik beendet Weiterführende Diagnostik Nach der Erstdiagnostik können hypothesengeleitet unterschiedliche Fragestellungen für eine weiterführende Diagnostik auftreten. Behandlungsbegleitend können in individueller Reihenfolge verschiedene Verfahren ausgewählt werden. - Beobachtung der Reaktionen auf kommunikative Stressoren (RKS) - Diagnostik des Sprachentwicklungsstandes - Lesen - In-Vivo Diagnostik - Interaktionsanalyse - Anamnese mit Erzieherinnen und Lehrerinnen - Einschätzung des motorischen, kognitiven und emotionalen Entwicklungsstandes - Einschätzung der familiären und innerpsychischen Situation (projektive Verfahren, Anamnese, Angstfragebogen für Schüler) Bei Auffälligkeiten kann es nötig werden, die Zusammenarbeit mit Kinderpsychologinnen oder anderen Fachleuten aufzusuchen. Differentialdiagnostik (Kiese-Himmel 1996): Kriterien zur Unterscheidung von entwicklungsgemäßen Unflüssigkeiten und beginnenden pathologischen Unflüssigkeiten:
Je mehr von diesen Gefahrensignalen zutreffen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Spontanremission und desto dringlicher die Therapieindikation. Kurzzusammenfassung: Diagnostik 1. Kontaktaufnahme: Anamnese des Entwicklungsstandes, Einstellung der Eltern zum Kind mittels Checkliste, häusliche Kassettenaufnahme um wichtige Infos zum kommunikativen Verhalten in verschiedenen Alltagssituationen zu erfahren 2. Erstgespräch mit den Bezugspersonen: Fragen zum Grund der Kontaktaufnahme und über generelle Lebensbedingungen; Frage nach der Entwicklung und Ausprägung der Stottersymptomatik; Fragen nach Gefühlen, Verhalten und sozialer Einbindung des Kindes in die Familie, subjektive Theorien zur Stottersymptomatik 3. Videoaufnahme einer Spielsituation in der Praxis (ohne Therapeuten, mit Bezugspersonen): wichtige Infos über das Stottern, bei gemeinsamer Auswertung mit Bezugspersonen weitere Einsichten in subjektive Theorien des Stotterns, Reaktionsbeobachtungen, Eltern-Kind-Interaktion 4. Allgemein sprachtherapeutische Befunderhebung: Sprachentwicklungsstand (expressiv und impressiv), quantitative und qualitative Beschreibung der Symptomatik, Motorik, Stimme, kognitive und sensorische Entwicklung (Screeningverfahren von Johannsen & Schulze 1988) Entscheidung für direkte oder indirekte Therapiemaßnahmen, inhaltliche Schwerpunktsetzung und Anknüpfungspunkte für die Elternarbeit (Johannsen & Schulze 1986/92) wichtige Prinzipien: Ressourcenprinzip, Prozessdiagnostik, Mehrdimensionalität, Transferfähigkeit in Alltagssituationen, hypothesen- u theoriegeleitetes Vorgehen 10.2 VerfahrenAbkürzungen:
10.2.1. Verfahren zur Ermittlung des Behandlungsbedarfes Ziel: Entscheiden, ob das Kind gegenwärtig stottert. Situationsgebundenheit beachten! 10.2.1.1 SLS: Screening List for StutteringFragebogen zur Differentialdiagnose, ob Stottern vorliegt. (Riley 1979, 2000) Ziel: Laien sollen diagnosebedürftige Sprechunflüssigkeiten und behandlungsbedürftiges Stottern erkennen können Methode: Eltern kreuzen Fragebogen an zu Art, Häufigkeit und Dauer der Symptomatik sowie Reaktionen des Kindes und des Umfeldes. ï® Punktwerte ï® Gesamtpunktwert ï® unter 7: keine Diagnostik nötig, über 12: wahrscheinlich Stottern, 7-12: Wiederholung des Screenings in drei Monaten Bewertung: Gut geeignet für Laien (Kinderarzt, Erzieherin) Dauer: Durchführung: 5-10 Minuten, Auswertung 2 Minuten 10.2.1.2 SPI: Stuttering Prediction Instrument Instrument zur Einschätzung, ob Stottern vorliegt (Riley 1981, deutsch von Sandrieser), Muster in Sandrieser / Schneider!! Ziel:
Methode: Anamnestischer Fragebogen, der nach Befragung der Eltern durchgeführt wird und Analyse einer Spontansprechprobe von 100 Wörtern hinsichtlich Häufigkeit und Qualität der Unflüssigkeiten. ï® Rohwerte ï® Tabelle zum Ablesen des Schweregrades Bewertung: ï« Schnell und brauchbar zur Differentialdiagnostik und zur Feststellung des Schweregrades. ï Die Prognose scheint unsicher zu sein. Dauer: Durchführung 20 Minuten, Auswertung: 20 Minuten. 10.2.1.3 Anamnese Anamnestischer Elternfragebogen und Anamnesebogen (Sandrieser 2000), Protokollbögen in Sandrieser / Schneider!!! Ziel:
Methode: Eltern füllen zuhause Fragebogen aus und senden ihn an die Praxis ï® kann schon in die Planung der Diagnostik einbezogen werden. Erstdiagnostik als gelenktes Anamnesegespräch mit beiden Eltern und ggf. Kind. ï® Überprüfung erster Hypothesen. Bewertung: ï« Gewinnung von Informationen zu den Bereichen Stottersymptomatik, psychische Reaktionen und Risikofaktoren, Besonderheiten des Kindes werden in Erfahrung gebracht. ï Weitere Untersuchung des Kindes ist nötig! 10.2.2 Verfahren zur Ermittlung der Störungsschwerpunkte 10.2.2.1 Bereich Sprech- und Stotterverhalten
ï® Transkription eines Videoausschnittes ist am detailliertesten, aber sehr aufwändig. ï® Bei Real-Time-Diagnostikverfahren werden die Symptome parallel zu Spielsituationen oder Videoaufnahmen gezählt (vor allem quantitativ und nur wenig qualitativ). Zeitaufwand geringer, aber Übung erforderlich. ï® Erste Versuche mit computergestützten Verfahren werden derzeit erstellt6. Momentan noch keine Hilfe. ï® Notwendig ist in jedem Fall eine repräsentative Sprechprobe, aufgrund der Situationsabhängigkeit ggf. auch mehrere aus verschiedenen Kontexten. Erhebung der Sprechprobe:
10.2.2.1.1 Real-Time-DiagnostikverfahrenNormiertes Vorgehen bei der Auswertung von Spontansprache simultan zum Sprechen des Patienten. Ziel: Zeitökonomische quantitative und qualitative Beurteilung der Redeunflüssigkeiten in der Spontansprache. Methode: geäußerte Silben und Stottersymptome werden während der Videoaufnahme / Spielsituation protokolliert. Z.B. drei Sprechproben mit je 100 Silben. Silben, Dehnungen, Blockierungen und Teilwortwiederholungen werden in Raster eingetragen. Die Stotter-Rate (Prozentsatz der Summe der Symptome bezogen auf die Gesamtzahl der Silben) und das vorherrschende Stottermuster (Prozentsatz der einzelnen Symptomarten bezogen auf die Gesamtzahl der Symptome) werden ermittelt. Bewertung: ï« zeitökonomisch und aussagekräftig, leichte Durchführbarkeit im Therapieverlauf ï® Veränderungen in der Symptomatik ersichtlich. Eine Version wird im SSI und SPI verwendet. ï Training7 und erhöhte Aufmerksamkeit des Auswertenden erforderlich, PC-Auswertung noch nicht verfügbar. 10.2.2.1.2 SSI: Stuttering Severity InstrumentInstrument zur Einschätzung des Schweregrades des Stotterns (Riley 1972, 1994). Deutsche Bearbeitung von Schneider (1998), Protokollbögen in Sandrieser / Schneider!!! Ziel:
Methode: Quantitative Real-Time-Analyse der symptomatischen. Qualität der Blockierungen und eventuell auftretender psychischer Begleiterscheinungen wird separat eingeschätzt. Teil A: Ermittlung der Stotterhäufigkeit für Leser8
Teil B: Ermittlung der Stotterhäufigkeit für Nichtleser
Teil C: Ermittlung der Dauer der drei längsten Symptome (für alle Patienten)
Teil D: Ermittlung des motorischen Begleitverhaltens (für alle Patienten)
Teil E: Ermittlung des Schweregrades des Stotterns (für alle Patienten)
Bewertung: ï« nach sorgfältiger Einarbeitung ermöglicht der test eine reproduzierbare, standardisierte Diagnostik und die Möglichkeit einer zuverlässigen Therapieverlaufskontrolle ï keine Aussagen zu Gütekriterien Dauer: Durchführung mind. 20 Minuten. Auswertung mind. 30 Minuten. Audio-Aufnahme erforderlich. 10.2.2.1.3 QBS: Qualitative Beschreibung der Stottersymptomatik Verfahren zur Einschätzung der Qualität der symptomatischen Unflüssigkeiten (Schneider 1997), Protokollbogen in Sandrieser / Schneider!!! Ziel:
Methode: mehrere Sprechproben werden ausgewertet (Video, Tonband, direkte Beobachtung), die Beobachtungen zu verschiedenen Kriterien werden auf einer Skala von 1-7 eingeschätzt und die prozentuale Häufigkeit ermittelt. Damit wird eine Ableitung der Hintergründe für qualitative Veränderungen möglich, oft sind auch mehrer Erklärungen möglich. Bewertung: Basis ist die Annahme, dass sich verschiedene qualitative Veränderungen von Redeunflüssigkeiten auf bestimmte Defizite im Sprechverhalten oder auf Coping-Strategien zurückführen lassen. ï« Qualitative Veränderungen (z.B. weniger Ankämpfverhalten, mehr Vermeideverhalten) lassen sich im Therapieverlauf gut dokumentieren. Therapieziele und Methoden können abgeleitet werden. Mehrere Sprechproben werden der Fluktuation des Stotterns gerecht. ï nicht normiert Dauer: Durchführung bei therapiebegleitender Beobachtung 10-15 Minuten. Auswertung 5 Minuten. 10.2.2.1.4 Lesen – Situationsabhängigkeit von StotternÜberprüfung der Auswirkungen von lesen auf das Stottern (Schneider 1999) ab der zweiten Klasse. Lesetext in Sandrieser / Schneider!! Weitere Verfahren zur Situationsabhängigkeit: siehe Bereich Risikofaktoren Ziel:
Methode: Befragung des Kindes zu seiner Einstellung zum lauten Lesen in der Schule. Dann lautes Vorlesen der ersten 25 Wörter des Textes. Wenn keine größeren Schwierigkeiten: Vorlesen des ganzen Textes. Abweichungen von Text und andere Auffälligkeiten werden unter das betreffende Wort geschrieben (Punkte und Striche). Nah dem Lesen soll Kind Geschichte kurz nacherzählen. Leseverweigerung wird akzeptiert, aber die Hintergründe erfragt. Die Anzahl der Symptome wird auf die Gesamtzahl der Wörter bezogen in Prozent ausgedrückt. Die Häufigkeit der verschiedenen Symptomarten wird festgehalten. Bewertung: ï« Standardisiertes Verfahren mit qualitativer und quantitativer Auswertung. Kann als Untertest des SSI für Kinder durchgeführt werden. Ergebnisse sollten durch ein Gespräch mit der Lehrerin ergänzt werden. Wen die Symptomatik beim Lesen häufiger und schwerer auftritt als in der Spontansprache, kann dies ein Hinweis auf angstbesetzten lautes Lesen sein, es könne Laut- und Wortängste bestehen und / oder in der Spontansprache erfolgreich vermieden wird oder auf eine Sprechweise beim Lesen (z.B. hohes Tempo), die Stottern wahrscheinlicher macht. Dauer: Durchführung 10 Minuten. Auswertung 5 Minuten. 10.2.2.2 Verfahren zum Bereich psychische Reaktionen auf Stottern Emotionale und kognitive Reaktionen auf das Stottern können aufrechterhaltend wirken. Auf ihnen beruht auch das Ankämpf-, Aufschub- und sprachliche Vermeideverhalten. Diese Verhaltensweisen werden aus praktischen Gründen jedoch im Bereich Sprech- und Stotterverhalten erfasst. Kinder äußern ihre Einstellungen zum Sprechen und Stottern bereitwilliger als vermutet: ab 5 Jahren ist ein Interview möglich. Fragebögen sind frühestens ab der fünften Klasse geeignet, da Leseprobleme sonst das Ergebnis verfälschen können. Für die Therapieplanung brauchbare Ergebnisse erhält man anhand der Verhaltensbeobachtung von Reaktionen auf das Pseudostottern der Untersucherin. RSU – Reaktionen auf Stottern des UntersuchersScreeningverfahren zur Ermittlung von Reaktionen auf das Stottern des Untersuchers (Schneider 1999), Protokollbogen in Sandrieser / Schneider!!! Zwei unterschiedliche Versionen (RSU1 und RSU2), die abhängig von Entwicklungsstand des Kindes und der Akzeptanz der Eltern für das Verfahren durchgeführt werden können. Beide Versionen können auch beim gleichen Kind durchgeführt werden. Ziel:
RSU1 Ziel: Ermittlung von Verhaltensweisen, die Aufschluss geben über
Methode: Grundprinzip: Die Untersucherin stottert während des Gesprächs ganz nebenbei und beobachtet die Reaktionen des Kindes. Durchführung: Vorbereitende Besprechung des Verfahrens mit den Eltern ï® Verständnis und Unterstützung beim Beobachten. Vom Beginn des Kontaktes mit dem Kind an und über mehrere Sitzungen zeigt die Untersucheringelassen in etwa jedem zweiten Satz langsame, anstrengungsfreie aber deutliche Teilwortwiederholungen, Dehnungen oder Blockierungen. Bei Kindern mit Ankämpfverhalten kann man dieses in deutlich abgeschwächter Form zeigen (keine Mitbewegungen!) und sich dabei selbst kommentieren („das Wort kam jetzt aber schwer raus!“). Wenig sprechen, damit das Kind zeit hat, auf das Stottern zu reagieren! Bei älteren Kindern kann das Stottern angekündigt werden: „Du wirst merken, dass meine Wörter manchmal nicht gleich rauskommen.“. Dem Kind gegenüber werden seine Reaktionen nicht bewertet, könne jedoch aufgegriffen werden, z.B. Kind: „Hör auf damit, das heißt nicht A-a-auto, sprich richtig!“ Untersucherin: „Dich ärgert es, wenn meine Wörter nicht richtig rauswollen“. Häufig reagieren Kinder erst nach mehreren Sitzungen und / oder zunächst nur gegenüber den Eltern. Äußerungen des Kindes und Berichte der Eltern werden protokolliert. Bewertung: ï« wichtige Grundlage für einzelfallorientiertes therapeutisches Vorgehen. Oft zeigt sich, dass sich auch junge Kinder (entgegen der Vermutungen der Eltern) schon mit dem Stottern beschäftigen. Kann jederzeit im Therapieverlauf wiederholt werden. Zeitaufwand ist durch die therapiebegleitende Durchführung gering. ï setzt voraus, dass Untersucherin lockeres und selbstverständliches Pseudostottern beherrscht. Manchmal muss mehrere Sitzungen auf eine Reaktion des Kindes gewartet werden. RSU2: Einsatz etwa ab dem Grundschulalter, entwickelt in Orientierung an Larsson 1996 Ziel: Ermittlung von Verhaltensbeobachtungen, die Auskunft geben über
Methode: Grundprinzip: Untersucherin weist direkt auf ihr Stottern hin und befragt das Kind zu seinem eigenen Stottern. Durchführung: Wird im Erstkontakt mit dem Kind und den Eltern im rahmen der Anamnese zum Thema Sprechen durchgeführt. Die Untersucherin zeigt verschieden Arten, wie Wörter „stecken bleiben“ können und befragt das Kind, ob diese Art auch bei ihm vorkommt. Man beginnt mit lustigen Arten des Stotterns, die das Kind nicht zeigt. Nach der Antwort des Kindes wird die Einschätzung der Eltern erfragt. Wenn das Kind unkooperativ ist, wird die Untersuchung abgebrochen. Wenn sich ein Elternteil sehr beschämend verhält, später noch einmal mit dem Kind allein durchführen. Es wird die Reihenfolge der besprochenen Symptome notiert sowie die Antworten des Kindes und der Eltern. Bewertung: ï« ï kein standardisiertes Verfahren. Setzt voraus, dass die Untersucherin lockeres und gelassenes Pseudostottern trainiert hat und die Angst abgebaut hat, dem Kind mit ihrem Stottern zu nahe zu treten. Dauer: Durchführung 10-20 Minuten. Auswertung unter 10 Minuten. 10.2.2.3 Verfahren zum Bereich RisikofaktorenGrundlage: Modell von Anforderungen und Fähigkeiten. Risikofaktoren können auslösend wirken, Bewältigungsmöglichkeiten einschränken und auch eine Reaktion auf Stottern sein. Die Eltern werden befragt und orientierende Verhaltensbeobachtungen während der Diagnostik durchgeführt. Beobachtungen aus dem Erstkontakt müssen weiterverfolgt uns ggf. bestätigt werden. Eine genauere Untersuchung bei betreffenden Fachtherapeutinnen (Psychologin, Krankengymnastin) kann bei Bedarf eingeleitet werden. 10.2.2.3.1 Pragmatische und kommunikative FähigkeitenVerschiedene Verfahren: „Communication Assessment“ von Latham und Mills (1997), „Pragmatic Rating Scale“ von Anderson-Wood und Smith (1997). Auch eine Interaktionsanalyse kann Informationen geben. Freie Beobachtung der pragmatischen und kommunikativen FähigkeitenZiel:
Methode: Durchführung: Verhaltensbeobachtungen des Kindes während der Kontaktaufnahme, während einer gelenkten und freien Spielsituation, in einer Gesprächssituation und am Stundenende. Auswertung: Einschätzung der pragmatischen und kommunikativen Fähigkeiten, d.h. der Qualität von verbalem und nonverbalem Ausdruck sowie der Strategien des Kindes hinsichtlich:
Bei der Interpretation sind Kontext und Entwicklungsalter zu berücksichtigen. Bewertung: Durch wiederholte Beobachtung und durch Daten aus anderen Untersuchungsverfahren gewinnt die freie Beobachtung an Aussagekraft. RKS – Reaktion auf kommunikative StressorenVerfahren zur Ermittlung der Auswirkungen von kommunikativen Stressoren (Schneider 1997), Protokollbogen in Sandrieser / Schneider!!! Ziel:
Methode: Für die Untersuchung geeignete kommunikative Stressoren sind:
Die Aufzeichnung per Video ist sinnvoll, da das gleichzeitige Einsetzen der kommunikativen Stressoren und der Beobachtung die Untersucherin überfordert. Die Stressoren werden freundlich, nicht verletzend eingebaut. Nicht im Rollenspiel benutzen, da die Rollenübernahme untypische Verhaltensweisen auslöst. Zur Auswertung werden Veränderungen der Stottersymptomatik, des Interaktionsverhaltens und des Spielverhaltens in Abhängigkeit von den verschiedenen kommunikativen Stressoren vermerkt. Bewertung: ï« bedeutsam zur Ermittlung von Risikofaktoren im Kommunikationsverhalten. Eine wesentliche Ergänzung sind Beobachtungen der Eltern. ï nicht standardisiert Dauer: Durchführung therapiebegleitend. Auswertung abhängig von der Fragestellung mind. 20 Minuten. 10.2.2.3.2 Sprachsystematische FähigkeitenAus dem Modell der Anforderungen und Fähigkeiten geht die große Bedeutung der sprachsystematischen Fähigkeiten eines stotternden Kindes hervor. Demnach ist auch eine Diagnostik der weiteren sprachlichen Fähigkeiten des Kindes erforderlich (Phonetik / Phonologie, Morphologie / Syntax, Wortfindung...). 10.2.2.3.3 Allgemeine psychische Situation des KindesSelbstbild, Einstellungen und Gefühle haben einen großen Einfluss darauf, wie das Kind mit seinem Stottern umgeht. Zur Untersuchung sind informelle Verfahren (Spiel, Interview...), projektive Verfahren (z.B. „Familie in Tieren“..., nur in Kombination und mit Vorsicht, intensive Einarbeitung erforderlich) und Fragebögen (z.B. ab 3. Klasse „Angstfragebogen für Schüler“). 10.2.2.3.4 Familiäre InteraktionBestimmte Merkmale im Interaktionsstil der Bezugspersonen können Stottern verstärken (z.B. Reaktionen auf das Stottern) oder reduzieren. Deshalb ist die Betrachtung der familiären Interaktion wichtig. Sie kann aber erst im Laufe der Therapie untersucht werden (vertieftes Vertrauensverhältnis nötig). Es gibt verschiedenen Verfahren. 10.3 Auswertung10.3.1 Bereich StottersymptomatikEs gibt keinen Konsens, dies ist der neueste Erkenntnisstand! Qualitative Merkmale:
Quantitatives Kriterium:
Nach den Vorgaben des SPI oder SSI kann ein Schweregrad zugeordnet werden. So werden wahrscheinlich mehr Kinder als sonst erfasst, was im Hinblick auf eine frühe Intervention bei Risikokindern sinnvoll ist. Oft erübrigt sich so eine Langzeitbehandlung, die Diagnose Stottern bedeutet nicht in jedem Fall Therapie. Ziel der Früherfassung ist es, einer Begleitsymptomatik vorzubeugen, z.B. auch durch Elterninformation. Zur Therapieentscheidung wird neben dem Schweregrad der Symptomatik der Verlauf, die psychischen Reaktionen und die Risikovalenz herangezogen. Für die Diagnose sind zwei Kriterien wichtig: die Chronizität und der Schweregrad9. „Chronisches Stottern“ besteht seit über 12 Monaten. „Chronisches Langzeitstottern“ ist eine stabilisierte Störung, bei der eine Remission äußerst unwahrscheinlich geworden ist, die Bezeichnung wird ab dem Jugendalter verwendet. Der zutreffende Begriff für nicht behandlungsbedürftige normale Redeunflüssigkeiten lautet normale bzw. physiologische Redeunflüssigkeiten oder Entwicklungs-unflüssigkeiten10.
10.3.2 Bereich psychische Reaktionen auf Stottern
Beispiele für Hinweise auf psychische Reaktionen auf das Stottern: In der Anamnese:
In der Untersuchungssituation:
10.3.3 Bereich RisikofaktorenRisikofaktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Stottern können sein: genetische Disposition und Risikofaktoren aus dem physiologischen, psychosozialen und psycholinguistischen Bereich. Die Zusammenhänge sind kaum erforscht, was die Bewertung von Risikofaktoren erschwert. Das Ziel ist es, die Risikovalenz11 im Einzelfall zu bestimmen, damit eine Therapieentscheidung theoriegestützt und hypothesengeleitet getroffen werden kann.
Baumgartner 2002: Sprachheilpädagogische Linie:
auf der einen Seite besteht Notwendigkeit, Stottern zu objektivieren und quantifizieren um auch Effektivität sprachheilpädagogischen Handelns nachzuweisen, andererseits gibt es gegenüber Untersuchungsverfahren Einwände, da man solch einer komplexen, dynamischen und multidimensionalen Störung nicht gerecht werden kann
Baumgartner 2002: Statusdiagnostik (als Eingangsdiagnostik)
Baumgartner 2002: Prozessdiagnostik
Baumgartner 2002: Zieldiagnostik
Baumgartner 2002: Modellgeleitete diagnostische Hypothesenbildung
Baumgartner 2002: diagnostische Evaluation
Baumgartner 2002: Kann man Stottern und seine Veränderung messen?
(Baumgartner 2002, Smith 1999, Starkweather 1999)
Baumgartner 2002: Prädiktoren für chronischen Verlauf des Stotterns mit speziellem Computerprogramm (Artifical Neural Network) konnten Geetha et al. (2000) mit 92 prozentiger Treffsicherheit Prädiktoren für normale und gestotterte Unflüssigkeiten objektivieren:
Indikatoren für Therapiebeginn (Conture 2001):
Baumgartner 2002: Effektivität und Erfolg
in Anbetracht der Komplexität ergänzen den diagnostischen Befund:
Johannsen & Schulze: Kurzzusammenfassung Differentialdiagnostik: Abgrenzung von anderen Grunderkrankungen (neurologisch, psychopathologisch), wichtig: mehrdimensionale Unterscheidungskataloge! quantitative Merkmale: mehr als drei bis zehn Unflüssigkeiten pro 100 Wörter (Johannsen & Schulze 1985), Vokaldehnung länger als eine Sekunde, Laut- und Silbenwiederholungen mit mehr als drei Iterationen, insgesamt häufige Symptomatik qualitative Merkmale: Wiederholung kleiner Elemente, Verspannungen, Schw-Laut, veränderter Sprechrhythmus bei den Iterationen, Veränderung von Tonhöhe und Lautstärke bei den Dehnungen, Begleitsymptomatik und Vermeidungsverhalten 11. Therapie11.1 ZieleÜbergeordnetes Therapieziel bei beginnendem oder chronischem Stottern im Kindesalter ist eine Remission oder, wenn diese nicht erfolgt, ein optimales Coping (Vermittlung funktioneller Coping-Strategien und Abbau von dysfunktionellen Coping-Strategien). Die Vermittlung praktikabler Coping-Stategien ist dabei in jedem Fall nötig, da der Druck der Remissions-Hoffnung und damit indirekt Spannung genommen wird, was sich positiv auf das Stottern auswirken kann. Die Sprechkompetenz soll sich normal entwickeln. 11.1.1 Therapieziele im Bereich Stottersymptomatik
11.1.2 Therapieziele im Bereich psychische Reaktionen
11.1.3 Therapieziele im Bereich Risikofaktoren(orientiert am Modell von Anforderungen und Fähigkeiten)
11.2 Hauptrichtungen der StottertherapieIndirekte Ansätze arbeiten entweder nur mit den Bezugspersonen oder mit dem Kind Risikofaktoren und Belastungen zu therapieren, ohne das Stottern selbst anzugehen. Indirekte Ansätze bergen die Gefahr der Tabuisierung und können dann aufrechterhaltend wirken. Es darf dem Kind gegenüber verbalisiert werden, warum es in Therapie ist. Direkte Ansätze arbeiten mit dem Kind selbst daran, das Stottern oder das Sprechen selbst direkt zu analysieren und zu verändern, zum Teil auch unbewusst. Meist wird aber ganzbewusst am Stottern bzw. am Sprechen gearbeitet. Direkte und indirekte Ansätze können miteinander kombiniert werden. Vergleich der Therapierichtungen
11.2.1 Fluency Shaping
Für ältere Vor- und Grundschulkinder. Modalitäten: Lesen, Monolog, Konversation Grundprinzipien:
Variante von GILCU Grundprinzipien: 1. positive Verstärkung des stotterfreien Sprechens (für jede Korrektur des Stotterns mindestens fünfmal stotterfreies Sprechen loben) 2. Eltern sollen ihr Kind bitten, gestotterte Äußerungen selbst zu korrigieren Sinn des Überkorrigierens: gestotterte Äußerung mit mehreren korrekten Wiederholungen löschen; außerdem Gelegenheit, Kind ausgiebig für stotterfreies Sprechen zu loben Ergebnis einer Studie: am Ende sprachen alle 12 behandelten Kinder fast ohne zu stottern Fazit: Früh mit der Therapie beginnen!!
11.2.2 Stuttering Management, Stuttering Modifikation
Grundprinzipien:
Etablieren von Blocklösetechniken
Stabilisierung und Transfer der Blocklösetechniken
Nachsorge ï· Aufbau der Unabhängigkeit von der Therapeutin; ï· Auffrischunq bei Rückfällen.
Stärken: flexibles, motivierendes und am Kind orientiertes Vorgehen, Einbeziehung der psychischen Ebene. Stottern, Sprechangst und Rückfälle werden als Chancen aufgefasst. Die Aufmerksamkeit auf den Sprechvorgang ist nur bei Stottersymptomen nötig. Schwäche: Kriterien für ein Fortschreiten in der Therapie sind nicht eindeutig festgelegt, es findet keine qualitative und quantitative Erfolgsmessung statt, Einfluss von Risikofaktoren wird vernachlässigt. 11.2.3 Kombination von Fluency Shaping und Stuttering ModifikationEs gibt verschiedene Versuche, Fluiency Shaping und Stuttering Management zu kombinieren. Es ist grundsätzlichmöglich, um ein flüssigeres Sprechen als bisher zu erreichen (z.B. Wall und Myers 1984 und Peters und Guitar 1991). 11.2.4 Begründung eines mehrdimensionalen, einzelfallorientierten AnsatzesBisherige Erkenntnisse über die Entstehung und den Verlauf von Stottern:
Konsequenzen für die Therapie
(Kiese-Himmel 1996) Medikamentöse Therapie darf nicht als bewährte Therapieform gelten und vermag eine umfassende Stottertherapie nicht zu ersetzen. Sie kann allenfalls als ein Baustein im Therapiepaket in Erwägung gezogen werden und das nur bei älteren Kindern und Erwachsenen. Medikamente wirken überwiegend auf die nonverbalen Auffälligkeiten. Eine Sprechübungs-Therapie mit hoher Behandlungsdichte (tägliche Sitzungen) hat sich bei Erwachsenen als deutlich überlegen gegenüber der Psychotherapie13 herausgestellt. Die logopädische Basistherapie von pathologischen Sprechunflüssigkeiten umfasst
Prolongiertes Sprechen und die Anlauttechnik gehören zu den empirisch am besten abgesicherten Sprechtechniken. Flüssiges Sprechen in der Therapiesituation ist relativ schnell zu erreichen. Flüssiges sprechen mittels Sprechhilfen darf aber nicht mit der wieder zu erlangenden Autoregulation des Sprechens verwechselt werden. Die Hauptschwierigkeit ist, das neue Sprechverhalten langfristig zu etablieren und zu generalisieren. Am besten hat sich hierfür eine übende Methodenkombination in einem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Kontext bewährt. Zudem ist es hilfreich, Angehörige oder Freunde des Stotternden an der Therapie zu beteiligen („social support“). Der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe ist ratsam. Als gut Prädiktoren für positive Therapieerfolge gelten Therapiedauer (Erwachsene: mindestens 100 Stunden + therapeutische Nachsorge, Heimprogramm, Stützkurse)) und Therapieintensität. Wissenschaftlich gesicherte und an Therapiemethoden gebundene Erfolge sind eher selten. Erfolg wird meist als mittlere Sprechflüssigkeitsverbesserung unter konstanten Rahmenbedingungen definiert. Spontanremissionen bei Erwachsenen gehen vermutlich auf die Erfahrung, kontinuierlich besser mit dem Stottern umgehen zu können, zurück. 11.3 Anforderungen an eine Therapie von Stottern im Kindesalter(Sandrieser / Schneider Seite 63)
Ziele:
Spezifische Anforderungen: Therapie der Stottersymptomatik ... muss auf Kenntnissen der Chronifizierungsprozesse beruhen. Dies bedeutet im Einzelnen:
Therapie der psychischen Reaktionen auf das Stottern
Therapie der Risikofaktoren Einer Therapie, die günstige Bedingungen für eine Verminderung der Stottersymptomatik oder gar für eine Spontanremission schaffen will, muss eine Analyse von auslösenden oder aufrechterhaltenden Risikofaktoren zugrunde liegen. Diese kann durch das Modell von Anforderungen und Fähigkeiten geleitet sein. Im Einzelnen bedeutet die Therapie der Risikofaktoren; ï· Elternberatung und Einbeziehung der Umgebung für einen günstigen Umgang mit Stottern; ï· Einbeziehung der Umgebung zur Ermittlung und ggf. Verminderung aufrechterhaltender externer und interner Anforderungen;
Diese drei grundlegenden Bereiche der Stottertherapie (Stottersymptome, psychologische Reaktionen, Risikofaktoren) bilden die Struktur der Darstellung von Diagnostik und Therapie in Sandrieser / Schneider. 11.4 Rahmenbedingungen11.4.1 Ambulante und stationäre Therapie
11.4.2 Häufigkeit der Behandlungstermine in der ambulanten Therapie
11.4.3 Dauer der Therapie
11.4.4 Elternberatung
11.4.5 Einzeltherapie und Gruppentherapie
11.4.6 Nachsorge#
11.4.7 Qualifikation der Therapeutin
11.4.8 Einstellung der Therapeutin
11.5 Wirkungsweise, Evaluation, Effektivität11.5.1 Wirkungsweisen der StottertherapieBeispiele für eine wechselseitige positive Beeinflussung von Kern- und Begleitsymptomatik in der Therapie:
Wechselwirkungen können positive, aber auch negative Auswirkungen haben. Bild der Hantel: Kern- und Begleitsymptomatik können unterschiedliches Gewicht in der Symptomatik haben, dies gilt dann auch für die Therapie: es kommt darauf an, die Balance zu finden! 11.5.2 Evaluation und EffektivitätsnachweisMeist fehlen Daten über Effektivität und Effizienz!
11.6 TherapieerfolgDer Therapieerfolg ist abhängig vom zugrundeliegenden Modell von Stottern und vom diesbezüglichen Therapieansatz. ï® vor der Therapie muss mit Eltern und Kind geklärt werden, was Therapieerfolg ist. Je nachdem, ob es sich bei der Therapie um primäre, sekundäre oder tertiäre Prävention handelt, ist Therapieerfolg etwas ganz Unterschiedliches (Sandrieser / Schneider S. 64). Generell sind Erfolgsversprechen unseriös und unethisch, da kein Verfahren allen Stotternden hilft. Eine Heilung von Stottern und durchgängig flüssiges Sprechen kann nicht als absolutes Therapieziel definiert werden. Die Chancen einer Remission steigen bei einer Frühtherapie. Sie sinken bei genetischer Disposition, längerer Störungsdauer und bestimmten Risikofaktoren. Therapieerfolg ist auch leichteres Stottern (durch funktionelle Coping-Strategien), was weniger belastet. Symptomfreie Phasen dürfen nicht als Heilung angesehen werden, Rückfälle liegen in der Natur des Stotterns. Demnach ist auch ein Therapieerfolg, wenn ein Kind gelernt hat, mit Rückfällen kompetent umzugehen. 11.7 BausteineVerschiedenen Verfahren kommen aus verschiedenen Wissenschaften und haben demnach unterschiedliche Schwerpunkte. „Therapiebausteine“ decken nur einen Teilaspekt der Stottertherapie ab. Einzelfallbegründet müssen sie kombiniert werden (siehe Nr. 1-9).
11.7.1 VertragskonzeptKlare Vereinbarung über Therapieziel und geschäftliche Rahmenbedingungen als Vertrag zwischen Eltern, Kind und Therapeutin mit dem Ziel der absoluten Offenheit und Transparenz. Verantwortung für den Therapieerfolg, Kooperation, Motivation und Eigenverantwortung werden formuliert und gefördert. Der Vertrag umfasst Ziele, Vorgehensweisen und Bedingungen der Therapie. Übergeordnete Verträge, die erst im Laufe der Therapie verfasst werden, regeln Rahmenbedingungen und Ziele, Inhalte, Vorgehensweisen und Grenzen der beabsichtigten Therapie. Im Verlauf einer Therapie werden viele kleine Verträge geschlossen, auch mündlich. Verträge müssen ggf. modifiziert werden. Bei Dreiecksverträgen bestehen Verträge zwischen allen drei Parteien (Eltern, Kind, Therapeutin). Beispiele für solche Absprachen finden sich bei Sandrieser / Schneider Seite 119. Geheime Anliegen (z.B. Wunsch nach absoluter Stotterfreiheit, Wunsch nach Tabuisierung) sind ausschlaggebend für den Verlauf der Therapie, solange sie nicht offengelegt werden. Im Fall unkooperativer Eltern kann auch allein mit dem Kind etwas vereinbart werden und eine gute Zusammenarbeit entstehen. Ggf. muss auf die Hilfe anderer Erwachsener (z.B. Lehrerin ,die das Kind an den Termin erinnert) zurückgegriffen werden. Formale Kriterien für Verträge:
11.7.2 Elterberatung
Ziele der Elternberatung:
11.7.3 Pseudostottern
Positive Effekte:
Kriterien für richtiges Pseudostottern:
Einsatzmöglichkeiten:
11.7.4 Verlangsamung der KommunikationDie Therapeutin verlangsamt die Kommunikation durch ihr Sprechmodell und ihr Kommunikationsverhalten. Dadurch bekommt das Kind genügend zeit zum Formulieren und Aufmerksamkeit. Kriterien für ein günstiges Sprechmodell sind ein langsames Sprechtempo, weiche Stimm- und Artikulationseinsätze und kurze einfache Äußerungen. Kriterien für ein verlangsamtes Kommunikationsverhalten:
11.7.5 Sprechfreude und SelbstvertrauenDie Arbeit an Sprechfreude und Selbstvertrauen wirkt sich auf die psychischen Reaktionen auf Stottern und die psychischen Risikofaktoren aus und kann sogar indirekt positive Einflüsse haben.
Antithetisches Verhalten ist Verhalten, das den Erwartungen bezüglich „richtigem Verhalten“ widerspricht (z.B. bei einem schnell arbeitenden Kind besonders viel Zeit nehmen, bei einem Kind mit Perfektionismusanspruch Fehler machen, Pseudostottern...). Die daraus folgende Verunsicherung bewirkt (in einer guten Beziehung) eine Auseinandersetzung und vielleicht Modellübernahme. Erlaubnisarbeit ist das Ernstnehmen der Anliegen und Verhaltensweisen des Kindes: es wird trotzdem eine positive Beziehung angeboten. Verhaltensweisen des Kindes werden mit positiven Reaktionen beantwortet. Natürlich wird nicht alles angenommen, sondern das Kind wird geschützt, damit es weder sich noch andere noch das Spielmaterial gefährdet. Nur wenn das Kind die Sicherheit hat, dass die Therapeutin auf Schutz achtet, kann es sie und ihre Erlaubnisse ernst nehmen. Grenzen setzen bekommt eine positive Bedeutung. Allerdings muss die Therapeutin mit sich selbst kongruent sein, um glaubwürdig zu sein. Schwierigkeiten auf der Beziehungsebene können Folgen sein. Am wichtigsten ist es, dem Kind zu vermitteln, dass es ernst genommen wird, auch, wenn es sich nicht mit dem Stottern auseinandersetzen will. Ggf. ist Supervision hilfreich. 11.7.6 Pragmatische Kompetenz, Selbstbehauptung und Problemlöseverhalten
11.7.7 Gruppentherapie
Arbeitsbereiche: Hauptaufgabe der Therapeutin ist es, die Sitzung vorzustrukturieren und zu entscheiden, ob die Planung oder das Gruppengeschehen Vorrang haben soll. Sie sorgt für den Schutz des Einzelnen durch Grenzen und Regeln, die in der Gruppe erarbeitet wurden. Die Inhalte können sehr verschieden sein (siehe Sandrieser / Schneider Seite 134). 11.7.8 Desensibilisierung
11.7.9 Enttabuisierung von Stottern
11.8 Therapieansätze„Therapieansätze“ sind die Kombination mehrerer Bausteine zu einem theoretisch begründeten mehrdimensionalen standardisierten Vorgehen. Sie müssen so beschrieben sein, dass sie auch ein anderer Therapeut durchführen kann. Dazu gehört ein strukturierter Aufbau, eine begründete Auswahl von Übungen, Materialien und Hilfestellungen sowie Angaben zu möglichen Effekten der einzelnen Interventionen. In Sandrieser / Schneider werden lediglich Teile von Therapieansätzen dargestellt. 11.8.1 Rustins Interaktionstherapie
Theoretische Grundlagen:
Interaktionstherapie Grundgedanke: Eltern bekommen die Verantwortung für den Inhalt und das Ausmaß der Veränderungen: vorhandene günstige Verhaltensweisen werden verstärkt
Bewertung: ï frühe Intervention zwecks sekundärer Prävention Anpassungen die individuellen Notwendigkeiten Pragmatisch und ressourcenorientiert ï keine Vorbereitung auf die Möglichkeit der Chronifizierung 11.8.2 Elternarbeit im Antwerpener Konzept
Theoretische Grundlagen:
Gesamtkonzept:
Bewertung: ï entspannteres Gesprächsverhalten und bessere Zuhörereigenschaften nach dem Elterntraining gute Ergänzung der Einzeltherapie ï hohe Qualifikation der Therapeutin nötig institutionelle Voraussetzungen müssen gegeben sein große Anzahl an Teilnehmern nötig Teamarbeit der Therapeutinnen nötig, damit Elterntraining und Kindertherapie kombiniert wirksam 11.8.3 KIDS – Kinder dürfen stottern
Theoretische Grundlagen:
Gesamtkonzept:
Arbeit am Symptom:
Bewertung: ï große Wirksamkeit (Verringerung von Häufigkeit und Schweregrad und Reduktion von negativen psychischen Reaktionen) Je früher begonnen, desto kürzer und weniger aufwändig
11.8.4 Einige Grundprinzipien nach Conture 1995
11.8.5 Therapieansätze im ÜberblickZu jedem steht ein Extra-Aufsatz im Handbuch von Grohnfeldt!
11.9 Fazit von Mayer 1996:
Coping Wirkungsvolle funktionelle Coping-Strategien können auf folgenden Ebenen beobachtet werden:
Die Entwicklung dysfunktioneller Coping-Strategien, d.h. der belastenden Begleitsymptomatik, wird begünstigt durch
11.10 Allgemeines, auch als Zusammenfassung?
Vorteile: v.a. für Kinder (sind noch nicht habituisiert, spielen tabulos mit Sprache), Transfer findet spontan statt, direkte Art wird im Spiel oft indirekt, Stottern wird enttabuisiert, Hilfen können im Alltag angewendet werden, Eltern können unterstützen, Ziele werden von Betroffenen und Therapeut individuell bestimmt. Ziel: im Rahmen der Erlebniswelt des Kindes Sprachsituationen zu schaffen, in denen die Kinder Vertrauen in ihre eigenen Kompetenzen und in die Reaktionen ihres Umfeldes entwickeln können (z.B. im Schneckenland, Zeitlupenbande) Therapeutenverhalten hat Modellcharakter. Medien: Sprechtechnik im Rahmen der Spielhandlung über alle Sinneskanäle: Flüstertüten, Pappröhren, Gummibänder, Zauberschnüre zur Dehnung, Schildkröten, Schnecken, Ziehharmonika, Schlafmützen, Kuscheltiere, Handpuppen usw.
Baumgartner 1998Das Ideal der ganzheitlichen Sprachtherapie wird durch den Aufbau „flüssiger Kommunikationsfähigkeit“ am deutlichsten verwirklicht: Der Therapeut modelliert den weicheren Stimmeinsatz und das verringerte Sprechtempo. Situationsangemessenes Vor- und Nachstrukturieren gemeinsamer Tätigkeiten ziel systematisch auf Sprechleistungen, die der Schüler flüssig bewältigen kann. Ein gezieltes Feedback überzeugt ihn von seiner Sprechfähigkeit. Der Therapeut ermutigt zur Veränderung, sorg für Transparenz der Ziele, leitet zur Selbsthilfe an. Motor der Lernmotivation sind die kommunikativen Absichten des Schülers und das den Sprecherfolg garantierende strukturierte Sprachhandlungsangebot des Pädagogen. Ziel sind offene Dialoghandlungen in realen und inszenierten Situationen. Konstruktive Kommunikation ist gefragt. Aber: wie Rothe erkannt hat: es besteht die Gefahr des beliebigen Methodenpluralismus, dem Laissez-faire-Stil. Durch die Betonung der Sprachautonomie und die relativ geringe Einflussmöglichkeit sprachtherapeutischer Verläufe wird oft vergessen, dass es auch Kinder gibt, die einer gezieltere und systemischere Instruktion bedürften und die Eigenhilfe eben nicht zum selbständigen Sprachlernen nutzen können. ï® engere, sprechübende Verfahren gehören deshalb auch in das Therapieinventar der Sprachheilpädagogik! ï® Die Anstrengung, das Komplexe des Stotterns in seiner Totalität erfassen zu wollen, Sprachtherapie ganzheitlich und systemisch zu gestalten, stößt an Grenzen!!! ï® Therapie ist eine umgrenzte Dienstleistung, die möglichste effektiv, transparent und qualitativ gut auszuführen ist. Baumgartner 1999
12. Bewältigung (Punkt 12 komplett von Weikert)
Vermeidungsverhalten
Angst vor dem Stottern
13. Prognose(Kiese-Himmel 1996) Stottern kann kontrolliert werden. Die Prognose des Stotterns ist aber ungünstig,
Der größte Teil der erwachsenen Stotternden kann Verbesserungen der Sprechflüssigkeit erwarten, aber nicht unbedingt dauerhafte, völlige Symptomfreiheit. Dies dem Patienten zu verheimlichen, ist vielleicht eine Ursache für das Scheitern vieler Therapien bei erwachsenen Stotternden. Realistisch ist nach Fiedler (1993) „fließenderes Sprechen bzw. flüssiges Stottern“, also vor allem die Erfahrung der grundsätzlichen Veränderbarkeit in der Therapiesituation. Danach sind die Problemlösefähigkeit und Kommunikations-verantwortlichkeit gefordert. Die Gefahr, lebenslang ein potentieller, situationsabhängiger Stotternder zu sein, ist relativ groß. 1 Größere Bewegungseinheit aus vielen kleinen Bewegungseinheiten 2 Engl. to cope with = mit etwas fertig werden 3 z.B. Missbrauch 4 Kinder passen sich der Antwortlatenz-Zeit von Erwachsenen an ï® Zeitdruck ï® schnelleres Sprechen ï® höhere motorische Anforderung ï® Unflüssigkeit 5 dies nutzen Entspannungtechniken! 6 Gehört das Fluency-Meter von Glück dazu? 7 Vorhanden: Dohmen et al 2000 8 Leser sind Menschen mit Lesefähigkeiten, die dem Stand Ende der zweiten Klasse oder besser entsprechen. 9 So könnten Diagnosen lauten „schweres beginnendes Stottern“ oder auch „leichtes chronisches Stottern“. 10 Begriffe wie „Entwicklungsstottern“ oder „physiologisches Stottern“ sind nicht angemessen! 11 Risikovalenz = Aussage, wie hoch das Risiko für einen chronischen Verlauf eingeschätzt werden muss. Dabei werden die drei Untersuchungsbereiche Stottersymptomatik, psychische Reaktionen und Risikofaktoren einbezogen. 12 Schüler von Van Riper! Brachte dessen Vorgehen für Erwachsene in eine kindgerechte Form. 13 Psychotherapie im Sinne von analytischen /tiefenpsychologischen oder gesprächspsychotherapeutischen Verfahren. 14 Das Symptom wird „eingefroren“, bis das Signal zum Weitersprechen erfolgt. Kind sollte auch Therapeutin einfrieren dürfen, um die Erfahrung der Kontrolle zu machen. Später werden auf ein Signal (Berührung) hin auch echte Symptome eingefroren, dann locker beendet (Pullout). Achtung, MUTPROBE!!! Loben und sich freuen ohne Ende!!
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